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Wer über schmerzende Gelenke klagt, muss auf laienhaften Rat nicht lange warten: „Das ist bestimmt Rheuma.“ Weiß doch jeder. Wirklich? Fachlich ist die exakte Diagnose nämlich überaus kompliziert.

Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob Ursache der Beschwerden Abnutzungserscheinungen sind, die altersbedingt, aber auch bei Sportlern aufgrund von Überbeanspruchungen, Schmerzen verursachen. Dann handelt es sich um Arthrose. Die Schäden lassen sich heute im Ernstfall dank moderner Endoprothetik reparieren.


„Noch vor 30 Jahren waren 50 Prozent der Betroffenen innerhalb von drei Jahren erwerbsunfähig.“


Ursache der unterschiedlichen Erscheinungsformen rheumatischer Erkrankungen sind dagegen entzündliche Prozesse, deren Ursachen eine Laune der Natur sein kann – wie beim Diabetes, der auch junge Menschen trifft. Doch Rheuma tritt auch auf als Folge von Zeckenbissen auf.
  

Prof. Dr. Jürgen Wollenhaupt Zentrum für Rheumatologie und Immunologie im Struenseehaus Hamburg-Altona
Prof. Dr. Jürgen Wollenhaupt Zentrum für Rheumatologie und Immunologie im Struenseehaus Hamburg-Altona

Die Krankheit beginnt meistens schleichend. Die Finger sind morgens geschwollen und steif. Später können alle Gelenke von Armen und Beinen bis zur Wirbelsäule betroffen sein. Es trifft alle Altersgruppen. Die Krankheit kann sich schon kurz nach der Geburt zeigen. Die Erkrankung tritt gehäuft in Familien auf. Es gibt keine direkte Ursache, wohl aber eine Reihe von Faktoren, die das Leiden wohl begünstigen, darunter Rauchen, chronische Bronchitis und ungesunde Ernährung.

Die Ursachen des entzündlichen Rheumas liegen im Immunsystem, das bei den Erkrankten nicht gegen Infekte von außen, sondern gegen den eigenen Organismus mobil macht. Die falschen Abwehrreaktionen verursachen die schmerzhaften Entzündungen der Gelenke. Ganz alltägliche Bewegungen werden zur Qual. Die rheumatischen Attacken können sich auch gegen innere Organe wie das Herz, die Lunge, die Augen oder die Blutgefäße richten. Etwa ein bis 1,5 Prozent der Bevölkerung leiden unter Rheuma. Das erklärt Professor Dr. Jürgen Wollenhaupt, Internist, Rheumatologe und Osteologe, aus dem Zentrum für Rheumatologie und Immunologie im Struenseehaus in Hamburg-Altona.
 

Neue Medikamente gegen die Folgen Image 2

Doch inzwischen gibt es gegen Rheuma maßgeschneiderte Medikamente, sogenannte Biologika, die gegen die gefährlichen Entzündungen eingesetzt werden können. So gehört nach rechtzeitiger Diagnose und gezielter Therapie das Bild des Rheumakranken von einst, der schwerfällig, mit gebeugtem Rücken auf Hilfe angewiesen war, der Vergangenheit an. „Noch vor 30 Jahren“, berichtet Wollenhaupt, „waren 50 Prozent der Betroffenen innerhalb von drei Jahren erwerbsunfähig.“ Heute könne man die Patienten mit Hilfe von Medikamenten vor den Schäden der chronischen Erkrankung bewahren. „Die neuen Medikamente dämpfen die Immunabwehr dort, wo sie sich gegen den eigenen Körper wendet“, erklärt Wollenhaupt, „sie blockieren zwar die Wirkung rheuma-vermittelnder Entzündungsstoffe, erhalten aber wichtige Funktionen des Immunsystems wie die Abwehr von Infekten.“ Die Biologika werden inzwischen nicht nur beim Gelenkrheuma, sondern auch bei entzündlichem Bindegewebs- und Gefäßrheuma eingesetzt.

Doch in den vergangenen Jahren ist die Entwicklung noch einen Schritt weitergegangen. Die neusten Medikamente zielen darauf, die falschen Signale der Immunabwehr gar nicht erst entstehen zu lassen. Sogenannte JAK-Hemmer blockieren schon die Herstellung der Signalzellen, die für die Entstehung einer rheumatischen Entzündung ursächlich sind, sodass die überschießende Immunreaktion gar nicht erst entstehen kann. Am wichtigsten sei aber, dass die rheumatischen Erkrankungen so schnell wie möglich erkannt werden, bevor sie chronisch werden. Der Experte rät deshalb, bei Schwellungen der Gelenke mit unklarer Ursache, wenn sie länger als drei Wochen dauern, ebenso wie bei unklaren Rückenschmerzen den Arzt aufzusuchen. Gisela Schütte
 

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