05.09.2017 / Auster
Schlummernde Talente entdecken
Das Handwerk hat über 100 Ausbildungsberufe zu bieten – und fast durchgängig ist Nachwuchs heiß begehrt. Die Handwerkskammer rät zum Ausprobieren
YVONNE SCHELLER
Ahmad Zaki Ansari hat in Kabul sechs Semester Jura studiert und als Dolmetscher für US-Soldaten gearbeitet. Danach war es für ihn in Afghanistan nicht mehr sicher. In Hamburg hat er ganz neu angefangen und im Februar eine Ausbildung zum Elektroniker in der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik beim Meisterbetrieb Buddenhagen & Söhne begonnen.
Der Wechsel „vom Kugelschreiber zum Kabelmesser“ fiel ihm zunächst nicht leicht, erzählt er. Doch der 28-Jährige hat eine Frau und zwei Kinder zu ernähren. „Studieren kann ich später noch. Jetzt ging es mir um einen sicheren Arbeitsplatz mit Zukunft.“ Und das abwechslungsreiche Elektrohandwerk macht ihm Spaß. Er arbeitet auf Baustellen oder bei Kunden zu Hause. „Wir reparieren alles, von der defekten Steckdose über die kaputte Gegensprechanlage. Wir kommen, wenn der Backofen im Herd nicht funktioniert oder die Elektroheizung nicht die gewünschte Temperatur erreicht – kein Tag ist wie der andere.“
Ahmads Situation ist einerseits eine besondere. Doch andererseits gilt: Wer Abi macht, geht auch studieren. Das ist fast schon ein Automatismus. Nur ist nicht jeder Studierende im Hörsaal glücklich. Viele vermissen greifbare Ergebnisse ihrer (Lern-)Arbeit und das konkrete Wissen, wozu sie den Studienstoff pauken. Eine duale Berufsausbildung bietet hingegen die unmittelbare Verknüpfung von Theorie und Praxis, betont Hjalmar Stemmann, Vizepräsident der Handwerkskammer Hamburg. „Die Auszubildenden wenden gelerntes Wissen jeden Tag an, sehen jeden Abend das Ergebnis ihrer Arbeit und erleben glückliche Kunden.“
So hat das Handwerk neben Schulabgängern Studienabbrecher als neue Zielgruppe für sich entdeckt, denn Nachwuchs ist aktuell fast durchgängig heiß begehrt. Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, darunter auch gefragte Berufe wie Elektroniker, Friseur oder Kfz-Mechatroniker.
Die Kampagne #einfachmachen! soll das ändern. Ziel ist es, durch Praktika in verschiedene Berufe unverbindlich hineinzuschnuppern, um möglichst viel auszuprobieren, schlummernde Talente zu entdecken und unbekannte Berufe zu erleben. Schließlich bieten in Hamburg rund 15.000 Handwerksbetriebe mehr als 100 Ausbildungsberufe an. Und was ein Systemelektroniker, Hörakustiker oder Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik eigentlich macht, lässt sich am besten durch eigene Erfahrungen feststellen.
„Viele Jugendliche wissen gar nicht, dass sie über handwerkliche Talente verfügen“, erklärt Oliver Thieß, Bereichsleiter Bildungspolitik der Handwerkskammer Hamburg. Ein spannendes Praktikum in einem Beruf, den man vorher nie ins Auge gefasst hat, kann einen auf Umwegen zum Traumjob bringen. Und selbst wenn durch das Probearbeiten herauskommt, dass der Alltag als Friseur oder Kfz-Mechatroniker ganz anderes ist als erwartet, „ist das eine wertvolle Erkenntnis“. Abhaken und weiterprobieren. Vielleicht findet sich im Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe die passende Ausbildung. Oder im Gesundheits- oder Lebensmittelbereich.
„Das praktische Ausprobieren bietet zudem die Möglichkeit, sich unabhängig von Zeugnissen und Noten zu präsentieren“, betont Thieß. Denn das Handwerk steht allen offen. Studienabbrecher können sich hier ebenso beweisen wie Jugendliche ohne oder mit dem ersten Schulabschluss. „Wer ohne Schulabschluss in die Ausbildung startet, erwirbt während der Ausbildung seinen Hauptschulabschluss oder den nächsthöheren Abschluss“, erklärt der Bildungsexperte. Und um die Fachhochschulreife zu erwerben, reicht zum Beispiel ein paralleler Zusatzkurs an der Berufsoberschule. Nach der Ausbildung bietet der Elbcampus, das Bildungs- und Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg, zahlreiche Fort- und Weiterbildungen zum Beispiel zum Meister oder zum Betriebswirt – wichtig für alle, die eine Selbstständigkeit planen. Dank der aktuell sehr guten Konjunktur hat das Handwerk sichere Arbeitsplätze zu bieten, „in denen gutes Geld verdient wird. Besonders mit der entsprechenden Weiterbildung“, sagt Thieß. Allerdings variieren die Gehälter je nach Branche stark. „Während im Baugewerbe Ausbildungsentgelte von über 1000 Euro monatlich gezahlt werden, liegen sie bei den Fotografen unter 200 Euro.“
Doch wer seinen Beruf aus Leidenschaft wählt, nimmt prekäre finanzielle Aussichten oft in Kauf, weiß Thieß. Und laut einer Azubi-Umfrage ist die Zufriedenheit im Handwerk groß. Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg, erklärt: „Wer einmal ins Handwerk gefunden hat, der bleibt gern dabei. Im Handwerk zählt der ganze Mensch: seine Persönlichkeit, seine Fähigkeiten, seine Motivation und Leistung.“
Ahmad Zaki Ansari hat in Kabul sechs Semester Jura studiert und als Dolmetscher für US-Soldaten gearbeitet. Danach war es für ihn in Afghanistan nicht mehr sicher. In Hamburg hat er ganz neu angefangen und im Februar eine Ausbildung zum Elektroniker in der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik beim Meisterbetrieb Buddenhagen & Söhne begonnen.
Der Wechsel „vom Kugelschreiber zum Kabelmesser“ fiel ihm zunächst nicht leicht, erzählt er. Doch der 28-Jährige hat eine Frau und zwei Kinder zu ernähren. „Studieren kann ich später noch. Jetzt ging es mir um einen sicheren Arbeitsplatz mit Zukunft.“ Und das abwechslungsreiche Elektrohandwerk macht ihm Spaß. Er arbeitet auf Baustellen oder bei Kunden zu Hause. „Wir reparieren alles, von der defekten Steckdose über die kaputte Gegensprechanlage. Wir kommen, wenn der Backofen im Herd nicht funktioniert oder die Elektroheizung nicht die gewünschte Temperatur erreicht – kein Tag ist wie der andere.“
Ahmads Situation ist einerseits eine besondere. Doch andererseits gilt: Wer Abi macht, geht auch studieren. Das ist fast schon ein Automatismus. Nur ist nicht jeder Studierende im Hörsaal glücklich. Viele vermissen greifbare Ergebnisse ihrer (Lern-)Arbeit und das konkrete Wissen, wozu sie den Studienstoff pauken. Eine duale Berufsausbildung bietet hingegen die unmittelbare Verknüpfung von Theorie und Praxis, betont Hjalmar Stemmann, Vizepräsident der Handwerkskammer Hamburg. „Die Auszubildenden wenden gelerntes Wissen jeden Tag an, sehen jeden Abend das Ergebnis ihrer Arbeit und erleben glückliche Kunden.“
So hat das Handwerk neben Schulabgängern Studienabbrecher als neue Zielgruppe für sich entdeckt, denn Nachwuchs ist aktuell fast durchgängig heiß begehrt. Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, darunter auch gefragte Berufe wie Elektroniker, Friseur oder Kfz-Mechatroniker.
Die Kampagne #einfachmachen! soll das ändern. Ziel ist es, durch Praktika in verschiedene Berufe unverbindlich hineinzuschnuppern, um möglichst viel auszuprobieren, schlummernde Talente zu entdecken und unbekannte Berufe zu erleben. Schließlich bieten in Hamburg rund 15.000 Handwerksbetriebe mehr als 100 Ausbildungsberufe an. Und was ein Systemelektroniker, Hörakustiker oder Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik eigentlich macht, lässt sich am besten durch eigene Erfahrungen feststellen.
„Viele Jugendliche wissen gar nicht, dass sie über handwerkliche Talente verfügen“, erklärt Oliver Thieß, Bereichsleiter Bildungspolitik der Handwerkskammer Hamburg. Ein spannendes Praktikum in einem Beruf, den man vorher nie ins Auge gefasst hat, kann einen auf Umwegen zum Traumjob bringen. Und selbst wenn durch das Probearbeiten herauskommt, dass der Alltag als Friseur oder Kfz-Mechatroniker ganz anderes ist als erwartet, „ist das eine wertvolle Erkenntnis“. Abhaken und weiterprobieren. Vielleicht findet sich im Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe die passende Ausbildung. Oder im Gesundheits- oder Lebensmittelbereich.
„Das praktische Ausprobieren bietet zudem die Möglichkeit, sich unabhängig von Zeugnissen und Noten zu präsentieren“, betont Thieß. Denn das Handwerk steht allen offen. Studienabbrecher können sich hier ebenso beweisen wie Jugendliche ohne oder mit dem ersten Schulabschluss. „Wer ohne Schulabschluss in die Ausbildung startet, erwirbt während der Ausbildung seinen Hauptschulabschluss oder den nächsthöheren Abschluss“, erklärt der Bildungsexperte. Und um die Fachhochschulreife zu erwerben, reicht zum Beispiel ein paralleler Zusatzkurs an der Berufsoberschule. Nach der Ausbildung bietet der Elbcampus, das Bildungs- und Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg, zahlreiche Fort- und Weiterbildungen zum Beispiel zum Meister oder zum Betriebswirt – wichtig für alle, die eine Selbstständigkeit planen. Dank der aktuell sehr guten Konjunktur hat das Handwerk sichere Arbeitsplätze zu bieten, „in denen gutes Geld verdient wird. Besonders mit der entsprechenden Weiterbildung“, sagt Thieß. Allerdings variieren die Gehälter je nach Branche stark. „Während im Baugewerbe Ausbildungsentgelte von über 1000 Euro monatlich gezahlt werden, liegen sie bei den Fotografen unter 200 Euro.“
Doch wer seinen Beruf aus Leidenschaft wählt, nimmt prekäre finanzielle Aussichten oft in Kauf, weiß Thieß. Und laut einer Azubi-Umfrage ist die Zufriedenheit im Handwerk groß. Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg, erklärt: „Wer einmal ins Handwerk gefunden hat, der bleibt gern dabei. Im Handwerk zählt der ganze Mensch: seine Persönlichkeit, seine Fähigkeiten, seine Motivation und Leistung.“
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