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Restauratoren müssen handwerkliches Geschick mitbringen und sich vor dem Studium erst einmal in der Praxis beweisen

Hamburger Praxisjahr: Kunst-Restauratoren erhalten Schätze für die Nachwelt

Lale von Baudissin restauriert Deckenstuck in einer Altbauvilla an der Alster. FOTO: STEPHAN WALLOCHA

Den blauen Himmel über sich, die Elbe weit unten und frischen Wind um die Nase. Mehr brauchte Lale von Baudissin nicht, um sich am glücklichen Ende einer schwierigen Berufsfindung zu wissen. Es war der zweite Tag ihres Praktikums in der Steinrestaurierung, und Lale durfte mit hoch aufs Gerüst in der Deichstraße. Die Aufgabe aus dem Amt für Denkmalschutz lautete damals: den Giebelschmuck an einem der althamburgischen Bürgerhäuser restaurieren. „Wir haben oben in den Ornamenten gesessen, ich durfte die Form ein wenig ergänzen und wusste sofort: Das ist genau das, was ich machen will“, sagt die Studentin der Fachhochschule Potsdam.

Konservierung und Restaurierung, Fachrichtung Stein, lautet der lange Titel des Studiengangs, für den Lale eingeschrieben ist. Nun ist Lale RiA, Restauratorin in Ausbildung. Im Verband der Restauratoren ist RiA die Nachwuchs-Interessensgruppe und Lale eine ihrer Sprecherinnen, die auf das Studium aufmerksam machen will. Schließlich sei es eine qualifizierte Ausbildung, die zu wenig bekannt sei: Auch Lale wurde erst durch ihre Mutter darauf aufmerksam. Die handwerklich und künstlerisch begabte Tochter assoziierte sofort Gemälde, Ateliers und damit die Fachrichtung Wandmalerei. Erst nach der Beschäftigung mit dem Beruf kam Lale auf den Geschmack von Stein, Skulpturen und Fassaden: „Man ist viel auf Baustellen, arbeitet eng mit dem Denkmalschutz zusammen und hat oft deutlich größere Dimensionen. Mir spricht das zu.“

Große Dimensionen, die dann aber kleinteilig bearbeitet werden. „Wir sind oft die mit dem kleinen Pinsel, der Spritze und dem Wattebäuschen: Wir arbeiten chirurgisch“, sagt Lale und lacht. Geduld, handwerkliches Geschick und künstlerisches Verständnis, etwa für Farben und Formen, sind die Grundzutaten ihres Berufes. Mit kulturgeschichtlichem Wissen und naturwissenschaftlicher Analyse wird es angereichert.

Eine Vielfalt, die Lale schon im Vorpraktikum kennen- und schätzen lernte. So heißt das Praxisjahr, das jedem bundesdeutschen Hochschulstudium vorangeht und das Lale bei der Diplom-Restauratorin Stephanie Silligmann absolvierte. Vermittelt wurde es durch das sogenannte Hamburger Praxisjahr, für das sich Museen, Denkmalschutzamt und freie Werkstätten zusammengeschlossen haben. Die Besonderheit dabei: Neben die Praxis in den Werkstätten tritt ein fachübergreifender Unterricht, etwa in Chemie oder Präsentationstechnik. Die jährlich zehn bis 15 Praktikanten, stellen sich dabei gegenseitig ihre Werkstätten und Projekte vor. „Das ist super, dann lernt man gleich die verschiedenen Arten und Orte der Restaurierung kennen“, sagt Silke Beiner-Büth, Leiterin des Hamburger Praxisjahres. So könne man eine unpassende Festlegung noch mal revidieren, denn schon bei der Bewerbung muss man sich für eine Richtung entscheiden: Textilien, Papier oder lieber Metallobjekte? So ziemlich alles, was durch menschliche Hände entstanden ist, kann auch konserviert und muss gelegentlich restauriert werden.

Die meisten denken bei dem Beruf an Gemälderestauration, und das ist auch der Bereich, wo Beiner-Büth vor 40 Jahren eingestiegen ist. Seither kämpft die Restaurationsleiterin im Museum für Hamburgische Geschichte gegen romantische Vorstellungen in manchen Köpfen: Mit dem Pinsel elegant auf der Staffelei tüpfeln, das mache nur ein Bruchteil der Aufgaben aus. „Es kann auch schwer und dreckig sein – und manchmal muss man auch wissenschaftlich ganz genau unterm Mikroskop arbeiten.“ Die Akademisierung des Berufes begrüßt Beiner-Büth daher ebenso wie das Praxisjahr, das zu weit weniger Studienabbrechern als in anderen Ländern führe: „Man weiß, was auf einen zukommt – und ob man dafür brennt.“ Ohne Leidenschaft gehe es nicht, so die Restauratorin. Dafür sei die Ausbildung zu lang, der Verdienst – verglichen mit anderen Akademikern – zu gering.

Lale hat bis zu ihrem Abschluss noch viel vor: In der vorlesungsfreien Zeit arbeitet sie weiter mit ihrem ehemaligen Praktikumsbetrieb zusammen, bald will sie in Israel praktizieren und dann den Bachelor, schließlich in drei weiteren Semestern den Master machen. Ohne den komme man nicht weit, betont Lale, die sich auf eine Zukunft als Freiberuflerin einstellt. „Es gibt kaum Angestelltenverhältnisse in der Branche“, betont die 25-Jährige. Lohn ist ihr der zweite Blick, den Besucher im Park Sanssouci einer Skulptur zuwerfen – restauriert von der Studentin: „Ich erhalte das für die Nachwelt.“ DEIKE UHTENWOLDT
 

Das Studium

Dauer: 7 Semester bis zum Bachelor of Arts
Voraussetzungen: Abitur, Fachabitur, Lust, handwerklich zu arbeiten. Das Absolvieren eines Praxisjahrs vor dem Studium wird vonseiten der Fachhochschule Potsdam empfohlen
Mögliche Arbeitgeber: an Museen, Archiven, Bibliotheken, in der Denkmalpflege, Forschung und Ausbildung. Viele Restauratoren sind Freiberufler
Weitere Infos: www.restauratoren.de
Hamburger Praxisjahr: Silke Beiner-Büth, Tel. 040/428 13 11 68


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