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Einrichten & Wohnen

Wie Wände lebendig werden

Tapeten mit Fotos oder grafischen Motiven erleben derzeit eine Renaissance. Welche Trends es gibt und worauf man beim Kombinieren mit Möbeln achten sollte

Das Esszimmer in diesem Altbau wird dank der Rebel-Walls-Tapete zur grünen Oase. Tisch und Stühle nehmen sich zurück. FOTO: REBEL WALLS / DIE WÄSCHEREI
Das Esszimmer in diesem Altbau wird dank der Rebel-Walls-Tapete zur grünen Oase. Tisch und Stühle nehmen sich zurück. FOTO: REBEL WALLS / DIE WÄSCHEREI
Es gibt sie wieder: die Lust auf dekorative Tapeten. Denn Wände sind ein wichtiger Baustein bei der Gestaltung von Räumen, da sie die Stimmung im Raum maßgeblich bestimmen.

Neben dem Bodenbelag nehmen die Wände die größte Fläche eines Raumes ein und sollten deshalb im Fokus der Planung stehen. Gemusterte Tapeten sind dabei ein Garant für ein aussagekräftiges Ambiente. Zudem lässt sich durch die Neugestaltung der Wände kostengünstig und mit relativ wenig Auswand eine komplett neue Raumatmosphäre erzeugen.

Die Tapete an sich blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Ihr goldenes Zeitalter begann im 18. Jahrhundert. Die sogenannten Buntpapiermacher standen damals hoch im Kurs und fertigten die Wandbekleidung per Hand für wohlhabende Bürger, welche die edlen Wandbehänge und fein gearbeiteten Holzvertäfelungen bei Hofe als erschwingliche Imitation in ihren Salons zeigen wollten. Erst die Erfindung des Maschinendruckes ermöglichte auch der breiten Bevölkerung den Zugang zur dekorativen Wandgestaltung.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts muss sich die gemusterte Tapete gegen die Alternative des farbigen Anstrichs behaupten. So fiel sie als Gestaltungsmittel während der 1990er-Jahre in einen tiefen Dornröschenschlaf. Es galt das Diktat der meist weißen, kahlen, am besten glatt geputzten Wand. Doch dann holten angesagte Bars und Restaurants die gemusterten Tapeten wieder hervor und inszenierten ihre Wände mit Mut und Witz. Mittlerweile ist der Trend auf die gesamte Einrichtungsbranche übergeschwappt und inspiriert Designinteressierte. Dabei haben technische Innovationen einen großen Anteil an der Wiederbelebung. Machte beispielsweise die Fototapete der 1970er-Jahre keinen Hehl aus der Künstlichkeit ihres Sonnenunterganges, können heutzutage alle Motive dank digitaler Technik täuschend echt auf das Endlospapier gedruckt werden. Ein Gedanke, der schon die illusionistische Trompe-l’oeil-Malerei der Renaissance angetrieben hat. Mit fotografischen Mitteln nehmen die Hersteller die Tradition auf, Material oder Objekt mittels perspektivischer Darstellung dreidimensional darzustellen. Dementsprechend ist die Tapete das perfekte Medium, um dem Raum die Illusion von Tiefe zu geben. So sitzt man dann beispielsweise am Esstisch vor einer raumhohen Fototapete mit dem Gefühl sich mitten in einem Park zu befinden. Oder eine großzügige Bücherwand vermittelt die Illusion einer opulenten Bibliothek.

Anna Broszio nimmt als Beraterin in dem Hamburger Einrichtungshaus Die Wäscherei bei ihren Kunden ein stark zunehmendes Interesse an dekorativen Tapeten wahr. „Wir verkaufen vor allem Fototapeten mit Motiven aus der Natur. Insbesondere Blumen und Dschungelmotive sind sehr gefragt. Aber auch großflächig gemusterte Tapeten verändern einen Raum grundlegend. Und das Praktische dabei: Gefällt einem die Atmosphäre irgendwann mal nicht mehr, muss man nicht gleich neue Möbel kaufen, sondern kann einfach nur die Wand neu tapezieren.“

Das Prinzip „Alles aus einem Guss“ hat dabei ausgedient. „Man sollte bei großformatigen Motiven nicht den ganzen Raum mit genau dieser Tapete gestalten“, ergänzt Anna Broszio. Statt ein Bild aufzuhängen, wird die gesamte Wandfläche zum Bild. Für die restlichen Wände empfiehlt sie einen farbigen Anstrich, der auf die Tapete abgestimmt ist.

Wichtig ist natürlich auch das Zusammenspiel mit den Möbeln. Es kommt auf die ausgewogene Balance zwischen Wandgestaltung und Auswahl der Möbel an. „Ein Highlight kann immer nur eines sein“, nennt Anna Broszio die Faustregel. „Wer sich beispielsweise für eine aufwendige Motivtapete entscheidet, sollte darauf achten, geradlinige, eher schlichte Möbel dazuzustellen“, empfiehlt die Einrichtungsberaterin.

Wer Lust auf eine persönliche Wandgestaltung hat, kann sein Lieblingsmotiv aus dem Urlaub oder Familienfotos in jedem Maß auf Tapetenbahnen drucken lassen und auf die Wand bringen. Groß im Kommen sind – passend zum Vintagetrend – Tapeten mit großen grafischen Mustern wie Kreisen und Rauten. Sie wurden ursprünglich von den Architekten des Bauhauses in Weimar entworfen, um die Entwicklung zur modernen, funktionalen Einrichtung der damaligen Zeit zu unterstreichen. Oft können sich die Menschen die Wirkung von gemusterten Tapeten im Raum nicht vorstellen. Einige Hersteller bieten deshalb die Möglichkeit, unterschiedliche Motive mittels einer App im eigenen Interieur virtuell zu zeigen.

Ein Hersteller bietet bereits eine Virenschutz-Tapete an

Mittlerweile gibt es Modelle mit Zusatzfunktionen und Interaktionsmöglichkeiten – und diese Weiterentwicklung steht erst am Anfang. So hat der Tapetenhersteller Marburger Tapetenfabrik eine Tapete entwickelt, die in der Lage ist, Viren zu zerstören. „Forscher haben herausgefunden, dass sich das neue Coronavirus bei Raumtemperatur bis zu neun Tage auf Oberflächen halten und infektiös bleiben kann. Es gilt jetzt, genau diese Infektionsherde auszuschalten“, sagt Ullrich Eitel, Inhaber der Marburger Tapetenfabrik. Die Oberfläche besteht aus Silbernanopartikeln, die antivirale Wirkung haben, so der Hersteller.

Auch Ideen wie die digitale Vernetzung der Wände als Teil des Smarthomes oder die Veränderung der Farbe durch einfache Berührung beschäftigen die Entwicklungsabteilungen der Hersteller. Der Anfang ist mit leuchtenden Tapeten bereits getan. Eine sprechende Wand fürs Kinderzimmer erfanden französische Designer: Sie entwarfen eine Tapete mit einzelnen Fantasiefiguren, die mittels Bilderkennung mit Abenteuergeschichten verknüpft sind. Scannt man mehrere Figuren, werden weitere gemeinsame Erlebnisse erzählt. Ob das allerdings der Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten eines Kindes entgegenkommt, bleibt fraglich. Susanne Speckter
 

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