Hamburgerin Gabriele Schneider: Im Doppeleinsatz für das Rote Kreuz und als Klinik-Clown
Lilly ist ein Clown zum Verlieben. Unter dem knallroten Kleid mit bunten Blumenstickereien leuchtet ein goldgelber Unterrock hervor und wenn sie hüpft und Faxen macht, kommen kunterbunte Ringelstrümpfe mit quietschgrüner Strumpfhose zum Vorschein. Um den Hals trägt sie eine riesengroße Perlenkette, ihre silbergrauen Locken bändigt sie mit einer dicken, roten Schleife auf dem Kopf. Am tollsten ist aber Lillys Gesicht. Natürlich trägt sie eine rote Nase – Lilly ist ja auch ein Clown! Aber die blauen Augen können so wunderbar sanftmütig trösten, so hemmungslos strahlen, so dämlich aus der Wäsche gucken, dass selbst die Maske, die sie immer noch bei jedem Besuch im Krankenhaus oder Altersheim tragen muss, die Mimik nicht verdecken kann. Kurz: Lilly ist ein echter Profi.
„Lilly ist für mich mehr als ein Hobby“, sagt Gabriele Schneider. „Sie ist meine Berufung.“ Dabei liebt die 61-jährige Industriekauffrau auch ihren Hauptberuf: Bei den Ambulanten Sozialen Diensten des Hamburger Roten Kreuzes in Bergedorf betreut sie seit sechs Jahren Kund*innen von Hausnotrufgeräten. „Das macht mir richtig viel Spaß“, sagt die Hamburgerin. Zuvor war sie jahrelang mit großem Engagement und vielen Überstunden als Pharmareferentin durch Norddeutschland gereist. „2011 hatte ich einen Burn-Out und musste mein Leben verändern“, erzählt Gabriele Schneider. Nach einem Sabbatjahr mit Auszeit in Neuseeland entschloss sie sich für eine zehnmonatige Clownsausbildung und eine 30-Stunden-Stelle beim DRK-Hausnotruf. „Beides erfüllt mich“, sagt Gabriele Schneider, die alle nur „Gabi“ nennen. Bei beidem kommen ihr ihre Erfahrungen als Pharmareferentin zugute. „Ich hatte Kontakt zu Palliativ-Medizinern, Schmerztherapeuten und vertrieb auch Medikamente bei Demenz, das hilft mir beim Hausnotruf und als Clown“, sagt die Fachfrau. Außerdem profitiert sie von 25 Jahren Bühnenerfahrung als Laienschauspielerin: „Im Leben fügt sich eins zum anderen.“
Nach Feierabend schlüpft Gabriele Schneider zwei bis drei Mal pro Woche in die Rolle der Lilly, wenn sie für Erwachsene im Boberger Krankenhaus oder in einem Seniorenheim spielt. Als Speedy Bo bringt sie Kinder und Jugendliche in Geesthacht zum Lachen. Jeden Monat trifft sie sich mit ihren Kolleg*innen vom Verein Klinik-Clowns-Hamburg zum Training.
Jeder Besuch ist Improvisation
Die Gelotologie – die wissenschaftliche Lachforschung – hat übrigens herausgefunden, dass Lachen zur Genesung beiträgt. Es aktiviert 135 verschiedene Muskeln, lindert Schmerzen durch die körpereigene Produktion entzündungshemmender Stoffe und reduziert insbesondere bei Kindern die Angst vor einer Operation. „Die meisten Leute finden es cool, wenn wir sie besuchen“, berichtet Gabi Schneider. „Sie lieben uns, aber ein paar sind auch unsicher.“ Dann geht „Lilly“ ihnen etwas aus dem Weg oder versucht, ihnen besonders freundlich zu begegnen. „Jeder Besuch ist eine Improvisation. Wir machen nie dasselbe und müssen immer gucken und fühlen, was gerade ansteht.“ Die Klientel ist auch immer verschieden: Im BG Klinikum Hamburg kann sie gestandenen Männern begegnen, die gerade ein Bein verloren haben oder mit einer Querschnittslähmung zurechtkommen müssen. „Die haben natürlich einen ganz anderen Humor als Demenzkranke“, weiß sie und ergänzt: „Wir holen die Leute dort ab, wo sie sind.“ Manchmal steht sie mit ihrem Clowns-Partner daher einfach nur da und wartet auf einen Impuls: „Der kommt immer, ob von innen oder außen.“ Und dann geht der Spaß los.
Als Clown fühlt sich Gabriele Schneider rundum wohl. „Ich schlüpfe in eine Rolle und gebe meinem inneren Kind Raum zum Spielen.“ Als Lilly oder Speedy Bo probiert sie Dinge aus, die sie nie von Gabi erwartet hätte. „Gestern verknoteten sich mein Partner und ich mit einem Tisch und waren oben, unten, überall“, sagt sie und strahlt noch immer vor Wonne. „Bei vielen Menschen ist das innere Kind verschüttet und darf nicht sprechen.“ Ein Clown aber dürfe ungehemmt Quatsch machen. Scheitern sei erlaubt, nichts müsse perfekt sein. „Als Clown verschenke ich mich“, beschreibt die engagierte Rotkreuz-Mitarbeiterin ihre Leidenschaft. Und egal wie traurig oder anstrengend der Besuch war: „Ich gehe immer beseelt nach Hause.“ Text: Constanze Bandowski
Weitere Infos: www.klinik-clowns-hamburg.de