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Motorrad in Hamburg

Hamburgerin Ilse Thouret: Ihrer Zeit voraus

Die Hamburgerin Ilse Thouret war in den 40er-Jahren eine der wenigen – aber erfolgreichen Motorradrennfahrer

Ilse Thouret liest 1936 in Garmisch-Partenkirchen auf einer DKW sitzend die „BZ am Mittag“. Foto: H.Hoffmann / Ullstein Bild
Ilse Thouret liest 1936 in Garmisch-Partenkirchen auf einer DKW sitzend die „BZ am Mittag“. Foto: H.Hoffmann / Ullstein Bild
Wir schreiben den 21. Februar 1932. In Hamburg starten 800 Teilnehmer zur Winterzielfahrt nach Berlin. Nach 36 Stunden und 1167 Landstraßen-Kilometern über zum Teil vereistes Kopfsteinpflaster, durch Schnee und Wind erreicht eine Frau mit einem Horex-Gespann als Erste die deutsche Hauptstadt. Zwar kann sich auf den letzten Metern noch Hugo Schmitz an die Spitze setzen, doch berühmt wird durch das Rennen die 34-jährige Ilse Thouret, Trainerin der deutschen Hockeydamen und zweifache Mutter.

Seit bei ihrer ersten Ausfahrt 1927 der Vergaser einer 750er-Mabeco klemmte und sie „mit rasender Geschwindigkeit auf die Ewigkeit“ zuschoss, hatte das Rennvirus sie infiziert. Doch der Weg ist schwer. Bei ihrem ersten Straßenrennen in Farmsen gelingt ihr die viertschnellste Trainingszeit, aber sie darf nicht starten: Begründung: Frauen hätten in Rennen nichts verloren. Ilse Thouret verlegt ihre Ambitionen auf Langstreckenrennen und Geländeveranstaltungen. Ob Bergrennen in Falkenberg, Six Days in Wales oder die 60 Mils Majtävling in Schweden, sie schlägt sich mit ihrer männlichen Konkurrenz um Punkte und Pokale und sammelt in den 30er-Jahren mehr als 100 Medaillen und Auszeichnungen.

1933 – ein Jahr nach ihrem ersten Rennen – machen die Austro-Daimler-Puckwerke „die Thouret“ zur Werksfahrerin, 1934 steigt sie auf DKW um. Ilse Thouret wird zur bekannten Werbepersönlichkeit für Motorräder und Reifen, Benzin und Öl.
 
Austro-Daimler-Puckwerke „die Thouret“ zur Werksfahrerin, 1934 steigt sie auf DKW um. Ilse Thouret wird zur bekannten Werbepersönlichkeit für Motorräder und Reifen, Benzin und Öl.

Ilse Thouret gehört dazu. Wenn sie nach dem Rennen den Bierkrug in ölverschmierten Händen hebt und den anderen Fahrern zuprostet, ist sie fester Bestandteil im männlichen Motorradreich geworden und dennoch ganz Frau geblieben. „Bei der 2000-km-Fahrt 1933 hatte ich beim Ziel in Baden-Baden etwas Vorsprung herausgefahren. So bin ich nicht sofort durchs Ziel gejagt, sondern habe eine Tankstelle aufgesucht und schnell mein Gesicht gereinigt. Sogar blütenweiße Handschuhe und einen ebenso weißen Schal hatte ich angezogen. Als ich dann durchs Ziel fuhr, machte selbst der Veranstalter ein ungläubiges Gesicht“, berichtete sie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg startet Ilse Thouret mit ihren beiden Töchtern als Thouret-Trio bei Rollerrennveranstaltungen, zuerst für NSU, später mit Vespa. 1969 stirbt sie nach langer Krankheit. Text: Karin Schickinger

Zuerst erschienen im Magazin „Tourenfahrer“
 
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