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Es ist der 15. Oktober 1793. Marie Antoinette sitzt in ihrer engen, dunklen und halb unterirdischen Zelle in der Conciergerie. Die französische Königin wartet hier auf ihre Hinrichtung. Sie soll geköpft werden, per Guillotine, auf dem Revolutionsplatz – und während sie darauf wartet, dass die Soldaten erscheinen und sie zum Schafott führen, passiert offenbar etwas Erstaunliches mit ihr. 

Mehreren Berichten zufolge werden ihre Haare grau – innerhalb von wenigen Stunden, von nur einer Nacht. Am nächsten Morgen, dem 16. Oktober 1793, dem Tag ihrer Hinrichtung, ist sie komplett ergraut. Sollte dies wirklich geschehen sein, dann ist sie die wohl bekannteste Betroffene des sogenannten Canities subita-Syndroms: Mittlerweile ist es tatsächlich auch als Marie-Antoinette-Syndrom bekannt.

Forscher beweisen Zusammenhang

Bei diesem Leiden ergrauen Menschen, die unter sehr großem emotionalem Stress stehen, in sehr kurzer Zeit. Während das Marie-Antoinette-Syndrom lange als unbelegt galt – vielleicht hatte die als eitel bekannte Königin ihre Haare nur stark gepudert, so dass sie weiß wirkten? –, konnten in den letzten Jahren mehrere amerikanische Forscherteams nachweisen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Stress und grauen Haaren gibt.


Stress sorgt für viele Beschwerden – unter anderem für Kopfschmerzen, Herzklopfen, Magenprobleme und Schlafstörungen. Aber ist er auch dafür verantwortlich, dass unsere Haare schneller ergrauen?


Die einfachste Erklärung der Forscher: Großer psychischer Stress lässt das Immunsystem auf Hochtouren laufen und das tötet in diesem hyperaktiven Modus auch Melanozyten-Stammzellen ab. Doch wenn es keine Melanozyten gibt, gibt es auch kein Melanin – und dementsprechend auch keine Pigmente für die Haare: Sie werden weiß und farblos, erscheinen also für den Betrachter komplett grau.

Eine weitere Erklärung bezieht sich auf das Stress-Hormon Noradrenalin. Es bindet an die Rezeptoren der Melanozyten-Stammzellen und sorgt dafür, dass die Melanozyten von den Haarfolikeln unter die Kopfhaut wandern – bis kaum noch Zellen in den Haaren vorhanden sind, die Melanin produzieren. Wenn kein Melanin in den Haaren ist, sind dort auch keine Pigmente. Die Haare werden weiß.

Könnte der Prozess auch rückgängig gemacht werden?

Wie schnell diese Prozesse ablaufen, darüber konnten die Forscher keine genaue Aussage treffen. Allerdings erklärten sie: Zwar sei selbst dann, wenn alle Melanozyten gleichzeitig ihre Produktion einstellen und keinerlei Farbpigmente mehr für die Haare hergestellt würden, immer noch bereits abgelagertes Melanin in den Haaren. Sie seien also nicht plötzlich komplett grau.

Aber es könne sein, dass es bei großem Stress zu Haarausfall komme. Die nachwachsenden Haare seien dann allesamt grau – was den Eindruck erwecken könne, jemand sei über Nacht ergraut. Gute Nachrichten gibt es allerdings auch: Der Prozess ist – vermutlich – umkehrbar. Wenn sich das Stresslevel eines Menschen reduziert, kann es sein, dass seine Haare nicht mehr grau sind, sondern in der Naturhaarfarbe nachwachsen. Sophie Lübbert
 

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