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Tennis in Hamburg

German Open 2018

Der Abschied des Michael Stich

Michael Stich dankt ab. Zehn Jahre German Open als Turnierdirektor machten ihm viel Spaß. (Hasenkopf)
Michael Stich dankt ab. Zehn Jahre German Open als Turnierdirektor machten ihm viel Spaß. (Hasenkopf)
Plus 1: Wer erwartet hatte, dass Michael Stich während der Siegerehrung „seiner“ letzten German Open als Turnierdirektor eine Schimpftirade in Richtung DTB loslassen würde, sah sich getäuscht. Zwar war der Abschied beinahe so emotional wie seine Siegerrede nach seinem Sieg am Rothenbaum 1993, aber der DTB kam glimpflich weg bzw. wurde nicht einmal erwähnt. Warum auch? Wieder war niemand von der Funktionärsriege erschienen, obwohl die DTB-Geschäftsstelle quasi mitten im Center Court liegt. Selbst der „Head of Men’s Tennis“, Boris Becker, ließ sich nicht sehen, als Michael letzte Worte an seinen Nachfolger, den Österreicher Peter Michael Reichel, richtete und ihm viel Erfolg für die Zukunft wünschte. Ein starker Abgang.

Plus 2: Wie immer in all den Jahren seiner Turnierdirektortätigkeit war das Legendenmatch zum Start der German Open, die Manhagen Classics, ausverkauft. 7500 Zuschauer sahen sein letztes Spiel auf dem Center Court. Eingeladen hatte Michael John McEnroe, mit dem er 1992 das Doppel in Wimbledon gewann. Das Ergebnis – Michael gewann im Matchtiebreak – tat wie in all den Jahren zuvor nichts zur Sache.

"Bleibe ruhig und vergebend, selbst wenn du im Recht bist."

Cheng Yen

Die Hauptsache war, die Fans hatten ihren Spaß an den beiden Oldies. Was bei der Menge an Fans immer wieder erstaunlich ist, da beide nun langsam wirklich in die Tennis-Jahre kommen. Allerdings konnte man erstaunt feststellen, im Gegensatz zu den letzten Jahren, trug keiner von beiden eine Knie- oder sonst was Bandage, da hatte die medizinische Abteilung im Vorfeld ganze Arbeit geleistet. Insgesamt ein erneut unterhaltsamer Abend. Sogar einige neugierige Profis entdeckte man auf der Tribüne, die sich wohl fragen mussten, wieso die „alten Säcke“ mehr Zuschauer ins Stadion locken als sie selbst.



Minus 1: Knartsch gab es im Vorfeld bei der Wildcard-Vergabe, mit der der DTB in Gestalt des Vizepräsidenten, Dirk Hordorf, überhaupt nicht einverstanden war. So ganz Unrecht hatte Hordorf ja nicht, wenn er Michael Stich kritisierte, dass er eine Wildcard, wie sonst üblich, nicht an einen deutschen Spieler vergab, sondern an den Norweger Caspar Ruud. Dazu äußerte sich Stich wie folgt: 

Manhagen Classics: Dr. Heiner Rüschmann übernahm die Siegerehrung des Legendeneinzels.
Manhagen Classics: Dr. Heiner Rüschmann übernahm die Siegerehrung des Legendeneinzels.
„Mir gefällt sein Werdegang und ich möchte ihn unterstützen.“ Wenn Wildcards weltweit an Spieler vergeben werden, die nicht dem Land des Ausrichters angehören, steckt zumeist der Deal dahinter, dass dann Wildcards im Gegenzug „verrechnet“ werden, also z.B. ein deutscher Spieler dann irgendwo im Ausland statt eines einheimischen Nachwuchsspielers diese „wilde Karte“ bekommt. Nun ist nicht bekannt, dass Norwegen ein ATP Turnier ausrichtet, auf dem ein deutscher Spieler eine Wildcard bekommen könnte, daher ist die Kritik zu verstehen. Scheinbar ist der Passus, dass Michael Stich dies berücksichtigen muss, nicht im Vertrag des DTB mit ihm aufgeführt, insofern kann er vergeben, an wen er will, auch wenn dies dem DTB sauer aufstößt. Zum ganz großen Knartsch kam es dann doch nicht, da beiden Parteien klar war, dass es sowieso das letzte Mal war und warum sollte man sich dann noch ein weiteres Mal öffentlich in die Haare bekommen. Da flucht man lieber intern übereinander.

Auf ex ausgetrunkene Wasserflaschen stapelten sich am Eingang.
Auf ex ausgetrunkene Wasserflaschen stapelten sich am Eingang.

Minus 2: Die VIP Wärmedecken wurden erstmals seit gefühlten 20 Jahren nicht gebraucht. Eher hätte man diese als Sonnenschutz umfunktionieren müssen. Das Wetter war in den Wochen bekanntlich so gut, dass es selbst vor der Rothenbaum Anlage nicht Halt machte. Fürsorgliche Mütter hatten ihren „Kleinen“ daher Rundumpakete mit Brötchen, Obst und ausreichend Getränken in die Rucksäcke gepackt, damit diese den Tag auf der Anlage ohne Hitzeschäden überstanden. Und was passierte? Vor dem Einlass Rothenbaumchaussee sah man ganze Jugendgruppen auf dem Boden sitzen, die verzweifelt ihre Wasserflaschen auf ex tranken, da sie diese nicht mit auf die Anlage nehmen durften. Die Veranstalter meinten dazu lapidar: „Wir haben einen Sponsor für diese Art von Getränken und können aufgrund der geschlossenen Verträge dies nicht dulden.“ Und das bei teilweise 35 Grad im Schatten. Der Sponsor hätte eine Menge für sein Image tun können, wenn er zusammen mit den Verantwortlichen ein wenig mehr Feingefühl an den Tag gelegt hätte. 



So mussten sich die armen Security Angestellten am Eingang eine Menge Schimpftiraden empörter Mütter über sich ergehen lassen. Jedenfalls stapelten sich nach einer Weile die Getränkeflaschen um den Eingang, dass beinahe kein Durchkommen mehr war.

Sieger German Open 2018: Nicolas Basilashvili hatte einen Traumlauf. Foto: Jürgen Hasenkopf
Sieger German Open 2018: Nicolas Basilashvili hatte einen Traumlauf. Foto: Jürgen Hasenkopf
Foto: Jürgen Hasenkopf
Foto: Jürgen Hasenkopf
Minus 3: Incl. der zwei Qualifikationstage ging man davon aus, dass bei den Wettervorhersagen von durchschnittlich 32-35 Grad kein Regenschirm benötigt werden würde. Geschweige denn ein Dach über dem Center Court. Natürlich kam es wieder mal, wenn auch nur kurzfristig, ganz anders. Am Halbfinaltag zogen am späten Nachmittag dunkle Wolken auf und einen Moment später blitzte, donnerte und regnete es wie in den vergangenen normalen German Open Jahren. Die Zuschauer auf dem Center Court dachten, sie säßen regengeschützt und erwarteten, dass das in die Jahre gekommene Dach sich doch bitte noch einmal schließen würde. Eine am Vortag ausgegebene „Dachwarnung“ im Internet hatten die meisten natürlich nicht mitbekommen. In der Info hieß es: „Leider kann das Dach während eines evtl. Regenschauers aufgrund eines defekten Moduls nicht geschlossen werden. Eine schnelle Reparatur ist ausgeschlossen. Man bittet um Beachtung.“ Jedenfalls goss es aus Kübeln und ein Unterstellen irgendwo war nicht möglich. Sogar das VIP Zelt hatte Probleme auf dem Boden zu bleiben. Auf Nachfrage von TENNIS in Hamburg an einen Security Mitarbeiter, was denn passieren würde, wenn der Blitz ins Zelt einschlagen würde, da weit und breit kein Blitzableiter zu sehen war, antwortete dieser: „Da kann ich jetzt nichts mehr machen, eine Räumung würde eine Panik geben. Ich bete, dass nichts passiert.“ Zum Glück zog das Gewitter an der Anlage vorbei und die Promis feierten weiter, ohne sich der Gefahr bewusst geworden zu sein. Bereits drei Wochen später war das Dach repariert und konnte für das Beachvolleyball Mayor Turnier genutzt werden. Das fehlende Modul wurde in San Sebastian/Spanien entdeckt, dort aus der Steuerung des Daches der Stierkampfarena entnommen und in Hamburg eingesetzt. Nun sitzt man in San Sebastian im Regen.

Leonardo Mayer verpasste seinen dritten German Open Sieg nur knapp. Foto: Jürgen Hasenkopf
Leonardo Mayer verpasste seinen dritten German Open Sieg nur knapp. Foto: Jürgen Hasenkopf
Rudolf Molleker (LTTC Berlin) schlug in Runde 1 David Ferrer, um dann gegen den Qualifikanten Josef Kovalik einzugehen. Sein Allüren auf dem Platz erinnern schwer an Alexander Zverev. Foto: Jürgen Hasenkopf
Rudolf Molleker (LTTC Berlin) schlug in Runde 1 David Ferrer, um dann gegen den Qualifikanten Josef Kovalik einzugehen. Sein Allüren auf dem Platz erinnern schwer an Alexander Zverev. Foto: Jürgen Hasenkopf
Plus 3: Tennis wurde neben den Manhagen Classics auch noch gespielt. Kein deutscher Spieler im Viertelfinale und kein Gesetzter im Halbfinale, normalerweise der Supergau für einen Veranstalter. Nur in Hamburg nicht. Jeden Tag strömten die Fans auf die Anlage, als wenn es in Zukunft kein Turnier mehr geben würde. Nicolas Basilashvili aus Georgien, in der Qualifikation beinahe bereits in Runde 2 gegen den Oldie aus Österreich, Jürgen Melzer, ausgeschieden, fightete sich darauf konzentriert durch die Hauptfeldrunden. Er hatte im Finale mit dem Argentinier Leonardo Mayer einen Mann auf der anderen Seite, der es ihm bereits 2014 vorgemacht hatte, wie man das Hamburger 500er Turnier als Qualifikant gewinnt. Seine Traumwoche krönte Basilashvili im Finale mit 6:4, 0:6, 7:5. Das 0:6 im zweiten Satz war wohl kein Ausrutscher. Bereits im Halbfinale gegen den Chilenen Nicolas Jarry ließ er den zweiten Satz mit 0:6 „laufen“ um dann „frisch“ in den dritten zu starten. Große Taktik, wenn sie denn immer so aufgehen würde. Als er den Matchball gegen Mayer verwandelt hatte, war nichts mit in den Sand schmeißen, in die Luft springen, geschweige denn irgendwie anders zu jubeln. „Mr. Cool“ ließ die Ovationen des Publikums über sich ergehen, als wenn er gar nicht mitbekommen hätte, dass er derjenige war, um den es ging.

Marvin Möller (Rahlstedter HTC) hatte sich vor eigenem Publikum mehr erhofft. Gegen Corentin Moutet setzte es aber eine deutliche 2:6, 3:6 Niederlage. Foto: Holger Suhr
Marvin Möller (Rahlstedter HTC) hatte sich vor eigenem Publikum mehr erhofft. Gegen Corentin Moutet setzte es aber eine deutliche 2:6, 3:6 Niederlage. Foto: Holger Suhr
Erster internationaler Auftritt von Niklas Guttau (TV Strand 08). Niklas konnte seine Nervosität in seinem Qualifikationsmatch gegen Josef Kovalik beim 0:6, 1:6 nie ganz ablegen.
Erster internationaler Auftritt von Niklas Guttau (TV Strand 08). Niklas konnte seine Nervosität in seinem Qualifikationsmatch gegen Josef Kovalik beim 0:6, 1:6 nie ganz ablegen.

Plus 4: Wie geht es jetzt weiter mit dem Turnier? Bei all den unterschiedlichen Meldungen der letzten Monate blickt keiner mehr richtig durch. Was klar ist, es kommt ein neuer Lizenzinhaber in Gestalt des Österreichers Peter Michael Reichel plus wahrscheinlich einem neuen, alten Turnierdirektor Boris Becker mit einem DTB „Helfer“ an seiner Seite. Wahrscheinlich wird dies Sportdirektor Klaus Eberhard sein, da der DTB gerne in der Zukunft „näher am Geschehen“ vertreten sein möchte. Der Club an der Alster bekommt im Herbst einen neuen 1. Vorsitzenden und dann fehlen nur noch neue Anwohner rundherum und alles könnte friedlich gelöst werden. Bewegung ist in die Sache gekommen, seit Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein sagte: „Wir werden eine Lösung finden.“ Alle vorgenannten Herren sind sich darüber einig, dass jeder einen gewissen Beitrag (Betrag) leisten muss. Dass der zweite Österreicher in dieser Angelegenheit, Hannes Jagerhofer, Initiator der Beachvolleyball Mayor Serie, sich da nicht ausschließt, lässt hoffen.

Sind sie das künftige Turnierdirektorenduo? Boris Becker und DTB Sportdirektor Klaus Eberhard. Foto: Jürgen Hasenkopf
Sind sie das künftige Turnierdirektorenduo? Boris Becker und DTB Sportdirektor Klaus Eberhard. Foto: Jürgen Hasenkopf
Sandra Reichel (r., hier mit Barbara Schett) die Tochter des neuen „Chefs“, Peter Michael Reichel, veranstaltet die WTA Turniere von Linz und Nürnberg. Sie gilt als heimliche Stich Nachfolgerin. Foto: Jürgen Hasenkopf
Sandra Reichel (r., hier mit Barbara Schett) die Tochter des neuen „Chefs“, Peter Michael Reichel, veranstaltet die WTA Turniere von Linz und Nürnberg. Sie gilt als heimliche Stich Nachfolgerin. Foto: Jürgen Hasenkopf
Insgesamt ist der DTB der große Gewinner der ganzen Schlammschlacht der letzten Jahre, bekommt er jetzt doch durch das gegenseitige Hochbieten von Michael Stich und Peter Michael Reichel für die zu erwerbende Lizenz eine wesentlich höhere sechsstellige Summe als es in den zehn Jahren HSE (Hamburg Sports Entertainment) der Fall war.
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