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Die SUV-Welle überrollt die Stromer

Auf dem Genfer Salon sind viele neue Elektroautos zu sehen, doch die Deutschen kaufen weiter Geländewagen.

Weltpremiere in Genf. Ein Elektro-SUV von morgen. Dieser bullige Strom-Wagen von Audi soll 2021 in Serie gehen. Der Q4 e-tron gilt bereits als Hoffnungsträger für die deutsche E-Mobilität. FOTO: HERSTELLER
Weltpremiere in Genf. Ein Elektro-SUV von morgen. Dieser bullige Strom-Wagen von Audi soll 2021 in Serie gehen. Der Q4 e-tron gilt bereits als Hoffnungsträger für die deutsche E-Mobilität. FOTO: HERSTELLER
Von Wolfgang Ibel 

Eine Auto-Messe steht unter Strom: Elektroautos sind das Top-Thema auf dem Genfer Salon. Stromer, die man schon kaufen kann. Oder aufregend geschnittene, vollelektrifizierte Wunderwerke, die erst in Zukunft auf leisen Füßen anrollen. Doch die hoch verehrten Stars der Autoshow sind weiterhin die dicken Kisten fürs Gelände und die neuen SUV-Modelle, die sich in erheblicher Geschwindigkeit vermehren.

Genfer Salon? Das ist die erste wichtige Auto-Schau des Jahres. Sie zeigt, wo es demnächst auch in Deutschland lang geht. „Mit Strom im Tank“, orakeln die Experten. Tatsächlich erzeugen die Hersteller am Genfer See reichlich Spannung mit neuen E-Mobilen. Kaum ein Hersteller, der nicht den Strom in den Tank packt. Doch wer will weit über 100 000 Euro für einen Audi e-tron ausgeben? Preise zu hoch, Reichweite gering, Laden nach wie vor unbequem. Noch überwiegen die Nachteile.

Wie so ein utopischer Elektrowagen von morgen aussehen könnte, enthüllt die Branche mit oftmals exotischen Studien. Bei Skodas Vision IV etwa vermisst der Betrachter Außenspiegel. Sie werden durch Kameras ersetzt. Mitsubishi tauft seinen Vorzeige-Stromer umweltfreundlich „Engelberg“ – nach dem gleichnamigen Alpenidyll in der Schweiz. Auch Honda bringt sich elektrisch in Stellung und will mit seinem kantigen Urban EV schon bald in Serie ans Netz gehen.

Weltpremiere in Genf: der neue Crossover Mazda CX-30 FOTO: HERSTELLER
Weltpremiere in Genf: der neue Crossover Mazda CX-30 
FOTO: HERSTELLER
Zunächst aber warten die Fahrzeuge, die mit neuer Energie das Land erobern sollen, auf den Erfolg im Markt. 3,4 Millionen neue Autos wurden 2018 bundesweit zugelassen, keine 35 000 davon waren Stromer. Stattdessen wächst der SUV-Rausch weiter. Etwa jeder dritte in Deutschland verkaufte Pkw ist mittlerweile ein SUV oder Geländewagen. Vor allem der Premium-Kunde hat drei Hauptwünsche – und die lauten: SUV, Allrad und noch mehr Leistung. Am besten läuft derzeit der VWT-Roc, der als aktuelle Weiterentwicklung 300 PS in einer „R“-Version hat. Und die SUV-Welle wird noch höher: BMW startet den X3 M mit 480 oder 510 PS, Mitsubishi den ASX, Skoda als Yeti-Erbe den Kamiq, Ssangyong den Korando. Gerade in den Handel gerollt sind der gewichtige Seat Tarraco und der Citroen C5 Aircross. Viel bestaunt wird als echte Weltpremiere der Mazda-Crossover CX-30.

Ebenfalls ein Thema: der Diesel. Der fast schon totgesagte Motor überlebt alle Trauerreden. So haben Mercedes, Ford, Nissan, Volvo und Landrover neue Diesel entwickelt, auch Mitsubishi pflanzt seinem SUV Eclipse ein kräftiges Dieselherz ein. Die Zulassungszahlen für den Selbstzünder stiegen wieder an, VW spricht von Auftragseingängen „deutlich über dem Niveau von 2017“, vor allem bei Privatkunden.

Neue Kleinstwagen sind in den Messehallen am Genfer Flughafen bis auf den frisch frisierten Renault Twingo hingegen kaum zu entdecken. Wohl aber Luxusschiffe wie der neue BMW 7er oder der Porsche 911 als Traum-Cabrio. Skoda will mit dem kompakten Scala auf Golf-Jagd gehen, Renault hat den Clio aufgewertet, Audi möbelt den TT RS auf, Peugeot bringt mit dem 508 SW Glanz in die Kombi-Klasse. Toyota haucht seinem einst verstoßenen Altmeister Corolla wieder Leben ein und zieht dafür den biederen Auris aus dem Verkehr. Der renovierte Mazda3 will mit einem neu entwickelten „X“-Wundermotor, einer Mixtur aus Benziner und Diesel, den Verbrauch um 30 Prozent drosseln.

Neue Unternehmen am Start

VW lässt seinen nächsten neuen Golf dagegen erst im Laufes des Jahres los. Stattdessen gibt es am Stand der Wolfsburger die leisen Töne mit einer Elektroauto-Studie in Form eines flippigen Strand-Buggys – wohl auch als Vorreiter für den Herbst, wenn Volkswagen auf der Frankfurter IAA mit der Elektro-Generation ID wahre Hochspannung erzeugen will. Den kostspieligen Weg nach Genf gespart haben sich Auto-Größen wie Opel, Hyundai und Ford. Die Kölner rollen ihre Premieren erst Anfang April in Amsterdam auf die Bühne der Öffentlichkeit und wollen sich dann vor allem auf ihre elektrische Zukunft fokussieren. Dafür treten auf dem Genfer Salon neue Unternehmen ins Licht. Wie Nobe Cars, die ganz auf Leichtbau-Stromer spezialisiert sind. Mit der Luxuslimousine Aurus taucht der russische Autobauer Nami in der Schweiz aus dem Nichts auf, der chinesische Elektrospezialist Arcfox fliegt seine Superflitzer als Messestar ein.

Beim Bummel durch die Messehallen wird klar: Die Welt des Automobils will mit hohem finanziellen Einsatz einen neuen Gang einlegen. So wurde der Elektro-SUV Jaguar i-pace in Genf europaweit zum „Auto des Jahres“ gewählt. Und ein bisschen Hoffnung, dass Elektroautos vom Volk am Ende doch noch geliebt werden, gibt es ja auch. Der Elektro-SUV von Mercedes, der auf den Namen EQC hört, ist bereits Monate vor dem Marktstart ausverkauft. „Wir sind sicher, dass wir die Nachfrage 2019 nicht befriedigen können und vermutlich auch 2020 nicht“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Dabei hat der Stromflitzer aus dem Werk Bremen seinen Preis: Für den 408 PS starken E-Allradler sind mindestens 70 000 Euro fällig. Da trifft manchen Messe-Besucher dann doch der Schlag.

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