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Wie eine junge Frau im vermeintlichen Männerberuf Zerspanungsmechaniker Karriere macht

Ausbildung unter Hochdruck

Lilli Loop ist Auszubildende Zerspanungstechnikerin bei Leser. FOTO: GABRIELE RÜTER

Es ist fast schon ein schöpferischer Akt: Lilli Loop erstellt mit höchster Präzision aus schnöden Rohlingen komplex geformte Bauteile. Die 17-Jährige lernt Zerspanungsmechanikerin beim Hamburger Unternehmen Leser, einem der weltweit führenden Hersteller von Sicherheitsventilen.

Ihr Traumjob war das ursprünglich nicht: „Ein handwerklicher Beruf kam für mich früher eigentlich nie infrage“, sagt die Auszubildende mit mittlerem Schulabschluss (MSA). „Ich war mir nicht sicher, ob ich dafür überhaupt geschickt genug bin.“ Doch in einem Schnupperpraktikum überzeugte sie mit handwerklichen Fähigkeiten und technischem Verständnis: „Danach war klar, dass ich hier eine Ausbildung anfangen will“, sagt Loop.
 

Früher nannte man ihren Beruf einfach nur „Dreher“. Vermutlich denken da viele noch an schlecht beleuchtete Werkbänke, viel Dreck, harte körperliche Arbeit und eine reine Männerzunft. Ein Blick in die moderne Auszubildenden-Werkstatt von Leser offenbart, wie veraltet diese Sichtweise ist. Hier lernt Lilli Loop zusammen mit acht weiteren Lehrlingen – zwei Frauen und sechs Männer – die Bearbeitung von metallischen Werkstoffen, etwa das „Schruppen“ und „Schlichten“.

An größeren Übungsteilen arbeiten die Nachwuchskräfte bis zu drei Tage. Von Dreck keine Spur: Die Stahlspäne werden recycelt, schwerere Bauteile mit einem Kran bewegt. Der Ton ist locker und kollegial. Mit ihrem Ausbildungsleiter Arne Wittmaack ist Loop per Du.

Die Firmenzentrale von Leser ist in Hamburg-Hamm, gefertigt wird im 80 Kilometer entfernten Hohenwestedt. Hier produziert das Werk jährlich über 100.000 Sicherheitsventile, die in Heizungsanlagen, Wasserleitungen, Gaskraftwerken, Förderanlagen, Raffinerien oder Pipelines zum Einsatz kommen. Je nach Einsatzgebiet müssen sie sowohl extrem hohen als auch extrem niedrigen Temperaturen standhalten. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an Materialqualität und Maßgenauigkeit.

Das wissen auch die Azubis. „Wir lernenschnell, eigenverantwortlichzuarbeiten“, sagt Lilly Loop. Zu ihren Aufgaben zählt außerdem die Fertigung und Bearbeitung von Hubbegrenzungen – jenen Teilen des Ventils, die den maximalen Ausfluss regeln. „Die müssen auf den Zehntelmillimeter genau stimmen.“ Erst wenn sie die Grundfertigkeiten des konventionellen Drehens erlernt und ein Gefühl für die Werkstoffe entwickelt haben, werden Leser-Azubis an die Werkzeugmaschinen mit moderner Steuerungstechnik (CNC-Anlagen) gelassen.

Die vollautomatischen Werkzeugmaschinen gehören in der Metallbranche zur Standardausstattung. Eine CNC-Maschine muss für jeden Produktionszyklus neu programmiert werden. Das geht nicht ohne entsprechendes Know-how. „Dabei kommt es besonders auf räumliches Vorstellungsvermögen, logisches Denken und mathematische Fähigkeiten an“, sagt Loop. „Ist auch nur ein Parameter falsch, kann der Schaden in die Tausende Euro gehen.“

Im zweiten Lehrjahr muss sie ihre CNC-Fähigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung, Teil 1, dann unter Beweis stellen. Die Chancen stehen gut. „100 Prozent unserer Auszubildenden bestehen die Prüfung“, sagt Ausbildungsleiter Wittmaack.

Loop ist ehrgeizig und denkt bereits an die Zeit nach der Prüfung. Im zweiten Lehrjahr will sie ihre Fachhochschulreife nachholen. Zwei Jahre lang geht es für sie dann freitags von 17 bis 21 Uhr und Sonnabend oder Sonntag vormittags zur Abendschule. Ein durchaus ambitioniertes Pensum mit stark eingeschränktem Wochenende – zumal sie dann außer zwischen ihrem Wohnort in Todenbüttel, ihrem Arbeitsplatz in Hohenwestedt und der Berufsschule in Neumünster zusätzlich noch nach Itzehoe pendeln muss, um dort Mathe, Physik und Rechnungswesen zu büffeln. Dazu kommt ihr Hobby Fußball bei der Damen-Mannschaft von Grün-Weiß Todenbüttel. So richtig abschalten kann sie, wenn sie sich um ihre beiden Pferde kümmert.

Immerhin: Mobilität ist kein Problem. Bei gutem Wetter fährt Loop mit ihrem Motorrad zu den Ausbildungsstätten – sobald sie 18 ist, auch mit dem eigenen Pkw. „Ich wohne ja noch zu Hause. Deshalb konnte ich Geld für mein erstes Auto zur Seite legen. Die Führerscheinprüfung habe ich bereits bestanden“.

Mühe soll sich auszahlen

Ihr Arbeitgeber unterstützt das freiwillige Engagement seiner Auszubildenden. „Bei Problemen in der Berufsschule oder Abendschule kann sie sich jederzeit an unsere Experten im Haus wenden“, sagt ihr Chef Wittmaack. Die Mühe sollte sich auszahlen: Mit dem Fach-Abi in der Tasche kann die Zerspanungsmechanikerin in spe ihre Qualifikation später weiter ausbauen. Typisch für Lilly Loop, dass sie bereits konkrete Vorstellungen hat: Maschinenbauingenieurin im dualen Studium finanziert vom Arbeitgeber. „Dann habe ich auch als Studentin genug Geld.“

Anschließend will sie weiter die Karriereleiter erklimmen und etwa die Produktionsabläufe in ihrem Ausbildungsbetrieb optimieren.

Auch einen Auslandsaufenthalt kann sich Loop vorstellen – schließlich ist Leser an mehr als 20 internationalen Standorten vertreten, darunter in Indien, China, den USA und Brasilien. Gunther Meyn
 

Job-Info

Ausbildungsdauer: 3 1/2 Jahre (Verkürzung möglich).
Voraussetzungen: mindestens ein Hauptschulabschluss (ESA), handwerkliches Geschick, technisches Verständnis, gute Noten in Mathe und Physik.
Ausbildungsentgelt: 1047 bis 1147 Euro*.
Einstiegsgehalt nach Ausbildung: ab etwa 2100 Euro.
Perspektiven: gut.
Weiterbildungsmöglichkeiten: Industriemeister (Fachrichtung Metall).

*bei Leser


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