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Weniger ist mehr – der Leitsatz steht vor jeder Motorradreise. Was brauche ich? Wie soll es verstaut werden? Ein Ratgeber

Gepäck-Aufgabe: Tipps zum Packen des Motorrads

Die für eine Fernreise bepackte BMW unseres Autoren Andreas Hülsmann.

Die Überschrift hätte, angelehnt an dem Roman von Robert M. Pirsig, auch heißen können: „Zen und die Kunst ein Motorrad zu packen“; denn beim Packen ist auch immer ein wenig Philosophie dabei. Schließlich geht es darum, welche Gegenstände auf der Reise unbedingt dabei sein „müssen“, welche Utensilien dabei sein „können“ und was zu Hause bleibt. Und wenn ich eines auf all meinen Reisen gelernt habe, dann ist es die Erkenntnis: Bei der Zeremonie des Packens eines Motorrades gibt es so viele Meinungen, wie Sterne am Himmel. Da sind die Minimalisten, die auf Leichtigkeit setzen, denen nichts spartanisch genug sein kann. In der anderen Ecke, der komfortorientierte Abenteurer, der Bequemlichkeit nicht missen und der auf alles vorbereitet sein möchte.

Unterwegs ist das Motorrad aber nicht nur ein Fortbewegungsmittel. Es wird zu unserem Zuhause. Da gilt es, viele Dinge zu verstauen. Einfach so alles in die Koffer schmeißen und in Gepäckrollen stopfen und los? Wäre schön. Es gibt aber einen Haken an dieser Sache, denn irgendwie soll das Bike auch fahrbar bleiben. Und ab diesem Punkt wird es anspruchsvoll. Denn wer sich mit dem Motorrad mit Freuden fortbewegen möchte, der braucht einen Plan.

Was also nehme ich mit auf die große Reise? Es ist „die“ Frage, die sich vor jedem Aufbruch stellt. Was wir auf dem Motorrad verstauen, hat viel damit zu tun, wohin die Tour führt. Reichen für einen Ausflug in die Alpen noch Zahnbürste und Kreditkarte, helfen diese Dinge bei einer Panne in der Wüste nicht weiter. Dabei spielt es aber kaum eine Rolle, ob es für zwei Wochen per Zelt nach Skandinavien geht oder sechs Monate durch Zentralasien: Die Masse an Gepäck ist nur wenig größer. Es gilt, das Optimum zu finden.

Welche Ersatzteile sollten dabei sein? Am besten keine, denn nirgendwo sonst schlägt Murphy’s Gesetz präziser zu, als hier: Das Teil, das kaputtgeht, ist garantiert nicht an Bord. Mit ein paar Kabelbindern, Draht, Flickzeug, Sekundenkleber, Kaltmetall, Ersatzschläuchen und vor allem stabilem Klebeband, lassen sich fast 80 Prozent aller Zwischenfälle provisorisch lösen. Hat das Motorrad eine konstruktionsbedingte „Fehlerquote“, wie die hinteren Radlager einer Africa Twin, sollte Ersatz im Koffer zu finden sein.

Selbst erfahrene Traveler verlieren beim Gepäck das Limit aus den Augen

Die Gefahr, sich zu viel Pipapo ans Moped zu hängen, ist groß. Denn die Industrie bietet vielfältige Möglichkeiten, den Stauraum auf dem Motorrad zu erweitern. Es gibt unzählige Täschchen, die sich irgendwo anbringen lassen. Selbst erfahrene Traveler neigen – wie der Autor selbst – immer noch dazu, beim Gepäck das Limit aus den Augen zu verlieren. Was Unerfahrenen helfen kann ist eine Beratung, wie sie Reise-Experte Bernd Tesch (www.berndtesch.de) anbietet. Wer das nicht möchte, sollte tief in sich hineinhorchen und seine Bedürfnisse abschätzen. Neben dem Wieviel wird die Frage nach geeigneten Transportbehältnissen stehen. Was ist für die Gepäckaufgabe am besten geeignet?

Kunststoffkoffer sind unschlagbar praktisch und alltagstauglich bei kürzeren Asphaltreisen in zivilisierteren Gegenden. Und sie können extrem lange halten. Man denke nur an die alten BMWs oder Yamahas, die mit elegant und eng ans Rahmenheck geschmiegten Koffern nach all den Jahren noch unterwegs sind. Selten sieht man diese Kunststoffcontainer auf extremen Reisen, denn sie vertragen es nicht, durch heißen Wüstensand gescheucht zu werden. Auch massive Steine in engen Schluchten oder auf Schotterpisten mögen sie nicht, geschweige denn einen rabiaten Bodycheck mit einem Bus.

Textilpacktaschen haben den nicht zu unterschätzenden Vorteil eines geringen Gewichtes bei variablen Volumen. Außerdem können sie dem Fahrer beim „Füßeln“ in tiefen Spurrinnen keine Beinverletzungen zufügen. Nachteil: Sie bieten kaum Diebstahlschutz und ihr Inhalt ist bei Stürzen nicht geschützt. Sie sind eine gute Wahl für Puristen. Alu-Boxen sind die Transporteinheit der Extremreisenden und eine Art Hochsicherheitstrakt, halten sie doch Stürze aus und lassen sich im schlimmsten Fall ausbeulen. Abgesehen davon schützen sie die wertvolle Fracht am effektivsten, und können in abgenommenem Zustand als Tisch oder Bank dienen. Nachteile sind Baubreite und Gewicht. Keine Frage, wer den Fahrspaß nicht aus den Augen verlieren möchte, der sollte minimalistisch denken. Eine Jeans, ein dicker Pulli, ein paar T-Shirts und Unterwäsche, mehr braucht es eigentlich nicht. Merke: Eine Waschmitteltube wiegt weniger als Kleidung.

Die Einsparmöglichkeiten, die man vor der Abreise nicht gefunden hat, zeigen schnell ihre Wirkung. Wer je seine Maschine durch eine Schlammpassage wuchten musste, wer seine Enduro nach einem Sturz aufgerichtet hat, der wird künftig auf jedes Kilogramm Ladung achten.

Was noch fehlt ist eine Strategie für die Beladung, denn mit dem Gepäck verändern sich der Schwerpunkt, das Kurven- und Lenkverhalten sowie der Bremsweg. Enorm wichtig: Bei der Beladung sollte auf eine gleichmäßige Gewichtsverteilung auf beiden Seiten geachtet werden. Und nicht nur das, auch die Achslastverteilung muss stimmen, also möglichst viel schweres Zeug nach unten und vorn, damit das Vorderrad seinen Führungsaufgaben nachkommen kann.

Fast alle Abenteurer tüfteln während der Reise an der Gepäck-Optimierung

Eine schwere Kamera-Ausrüstung gehört in den Koffer oder in den Tankrucksack. Generell gehört Schweres so weit wie möglich nach unten in die Taschen oder Koffer. Klar, dass das Gepäck ordentlich verzurrt sein muss. Nichts darf flattern, rutschen oder die Bewegungsfreiheit einschränken. Ganz wichtig auch: die Anpassung der Federelemente und des Reifenluftdruckes an das Maschinengewicht.

Welche Dinge letztendlich die Hürde der Unverzichtbarkeit nehmen und mit auf die Reise gehen, ist eine rein persönliche Entscheidung. Philosophien darüber gibt es jedenfalls mehr als es Reisende gibt. Fast alle Abenteurer tüfteln während der Reise permanent an der Optimierung ihres Gepäcks und der Ausrüstung. Daraus folgt, dass niemand im optimalen Beladungszustand losfährt. Jeder Reisetag ist eine neue Herausforderung und die Möglichkeiten, ein Motorrad richtig zu bepacken, sind unendlich. ANDREAS HÜLSMANN

Der Autor: Andreas Hülsmann ist Chefredakteur der Zeitschrift „Motorrad Abenteuer“ und weltweit erfahrener Motorradreisender.
 

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