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Pinneberg: Betriebsschließung wegen des Corona-Virus

Greift der Versicherungsschutz auch in der Extremsituation einer Pandemie? – Juristen können helfen

Rechtsanwalt Andreas Reiff von der Sozietät Poppe hat unter anderem Versicherungsrecht als Schwerpunkt Foto: pr
Rechtsanwalt Andreas Reiff von der Sozietät Poppe hat unter anderem Versicherungsrecht als Schwerpunkt Foto: pr
Die flächendeckend erfolgten Betriebsschließungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bedrohen die betroffenen Betriebe, insbesondere Gastronomiebetriebe, erheblich in ihrer wirtschaftlichen Existenz“ sagt Rechtsanwalt Andreas Reiff von der Sozietät Poppe in Pinneberg, der unter anderem auf Versicherungsrecht spezialisiert ist. Im März wurden bundesweit auf Grundlage von Allgemeinverfügungen und Landesverordnungen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zum Beispiel Beherbergungsverbote, Reiseverbote, Gaststätten- und Einzelhandelsschließungen sowie allgemeine Kontaktverbote ausgesprochen. Wenn für einen betroffenen Betrieb in der Vergangenheit eine „Betriebsschließungsversicherung“ abgeschlossen worden ist, stellt sich die rechtliche Frage, ob wegen der coronabedingten Schließung Versicherungsschutz besteht.

Obgleich auf den ersten Blick eine Leistungspflicht aus der Betriebsschließungsversicherung bestehen dürfte, lasse sich in der gegenwärtigen Praxis die Tendenz beobachten, dass die meisten, darunter sehr namenhafte Versicherer, ihre Eintrittspflicht verneinen und allenfalls ein wirtschaftlich für den betroffenen Betrieb unzureichendes Vergleichs- und Abfindungsangebot unterbreiten, so Reiff.
 
Die Ablehnung des Versicherungsschutzes über eine Betriebsschließungsversicherung begründen die Versicherer im Wesentlichen mit den Argumenten, die Betriebsschließung sei einerseits nicht aufgrund eines festgestellten Krankheitserregers, sondern rein „präventiv“, und andererseits aufgrund einer Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung und nicht aufgrund einer konkreten behördlichen Anordnung erfolgt. Im Übrigen sei der neuartige Covid-19 ohnehin nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsschließungsversicherung eingreift, wenn ein Betrieb aufgrund der Verbreitung des Coronavirus schließen musste, ist stets eine Frage des Einzelfalles und kann nur anhand der konkreten Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Vertrages beantworten werden.

Zunächst argumentieren einige Versicherer, die Schließung des versicherten Betriebes sei ausschließlich aus generalpräventiven Gründen erfolgt. Voraussetzung des Versicherungsschutzes in der Betriebsschließungsversicherung sei indes, dass die Schließung nicht aus generalpräventiven Gründen erfolge, sondern ausschließlich, weil eine konkrete Gefahr von dem versicherten Betrieb selbst ausgehe.
 
„Diese Argumentation einiger Versicherer ist nach meiner rechtlichen Einschätzung nicht überzeugend“, sagt Reiff. Zunächst lässt sich die behauptete Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalles, die Schließung dürfe nicht aus generalpräventiven Gründen erfolgen, aus den üblichen Versicherungsbedingungen nicht ableiten. Ferner widerspricht eine derartige Auslegung sowohl dem Gesetzeszweck des IfSG als auch dem Versicherungszweck einer Betriebsschließungsversicherung.

Als weitere Begründung für das Bestreiten der Eintrittspflicht wird von den Versicherern eingewandt, dass die Betriebsschließung aufgrund einer Allgemeinverfügung und/oder durch eine Landesverordnung angeordnet worden ist. Der Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung greife allerdings nur, sofern ein einzelner, versicherter Betrieb eine ausschließlich auf sich gerichtete Schließungsanordnung durch die „zuständige Behörde“ erhalten habe. Es müsse also eine behördliche Einzelverfügung vorliegen, die auf die Krankheit oder den Krankheitserreger im Betrieb abstelle.

Seiner Auffassung nach können diese versicherungswirtschaftlichen Erwägungen nicht dazu führen, so Reiff, den betroffenen Versicherungsnehmern den Versicherungsschutz zu versagen. Maßgeblich ist die Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen muss die Betriebsschließung durch „die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“ erfolgen. Für den Versicherungsnehmer macht es keinen Unterschied, ob die Betriebsschließung durch die Gesundheitsbehörde, durch die Landesregierung infolge einer Verordnung oder durch nachgeordnete Landesbehörden aufgrund einer Allgemeinverfügung erfolgt. Die Betriebsschließung ist hoheitlich angeordnet und zwingend.

Schließlich wird von den Versicherern gegen die Leistungspflicht eingewandt, der neuartige Krankheitserreger SARS-CoV-2 sei von vornherein nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Dieses Argument kann im Einzelfall unter Umständen – je nach Ausgestaltung und Formulierung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen – durchaus Relevanz haben.

Tatsache ist zunächst, dass das Bundesministerium für Gesundheit auf Grundlage des IfSG durch Verordnung die Meldepflicht auf das neuartige Coronavirus zum 1. Februar 2020 ausgedehnt hat. Ob infolge der gesetzlichen Erweiterung der Meldepflicht somit das Covid-19 vom Versicherungsschutz in einer Betriebsschließungsversicherung erfasst ist, beurteilt sich maßgeblich nach der konkreten Ausgestaltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Es lohnt sich, juristischen Rat einzuholen.
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