Individuell hergestellte Arzneimittel aus der Apotheke: Kai-Peter Siemsen von der Apothekerkammer Hamburg
Rezepturarzneimittel kommen zum Einsatz, wenn die Industrie kein passendes Fertigprodukt anbietet. Das Ärztemagazin sprach mit Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, über Herstellung, Hygiene und Aufbewahrungstipps.
Herr Siemsen, warum gibt es speziell hergestellte Arzneien?
Individuelle Rezepturarzneimittel sind immer dann die Mittel der Wahl, wenn keine Fertigprodukte verfügbar sind, wie z. B. ein Polyhexanid-Wundgel. Sie sind auch gefordert, wenn Patienten Hilfsstoffe, wie z. B. Konservierungsmittel, nicht vertragen. Manchmal sind die richtigen Wirkstoffkonzentrationen in Fertigarzneimitteln nicht verfügbar – z. B. bei Kapseln für Kinder oder Arzneimitteln für Babys. Individuell dosierte Infusionslösungen sind in der Krebstherapie oder bei einer Antibiotikabehandlung notwendig.
Benötigt man ein Rezept?
Sofern einzelne Bestandteile der Rezeptur verschreibungspflichtig sind, benötigt man immer eine ärztliche Verordnung. Ist die Rezeptur nur apothekenpflichtig, kann man diese Rezepturarzneimittel ohne Rezept erstehen. Oftmals sind dies Pflegecremes.
Sind speziell angefertigte Arzneien besser als Fertigarzneimittel?
Außer dem individuellen Nutzen haben Rezepturarzneimittel die gleichen hohen qualitativen Standards, wie wir sie von den Fertigarzneimitteln kennen.
Wie sieht es mit der Sicherheit bei der Herstellung aus?
Apotheker:innen prüfen zunächst, ob ein individuelles Rezepturarzneimittel plausibel ist. Dann erstellen sie eine Herstellungsvorschrift, reinigen und desinfizieren Arbeitsflächen und Geräte. Je nach Rezepturanforderung sind sterile Arbeitsplätze zu nutzen. Es gibt eine elektronische Einwaageüberwachung und das Vier-Augen-Prinzip. Ständige Kontrollen und ein Herstellungsprotokoll sind dabei selbstverständlich. Zum Schluss muss die Rezeptur durch einen Apotheker/eine Apothekerin freigegeben werden.
Haben Sie Aufbewahrungs- und Hygienetipps für Patient:innen?
Rezepturarzneimittel haben oft im Verhältnis zur stark konservierten Industrieware nur kurze Aufbrauchfristen. Die Patienten:innen sollten unbedingt die Verwendungs- und Lagerhinweise beachten. Dabei sollten kühl zu lagernde Rezepturen im Kühlschrank zwischen 2-8°C gelagert werden. Wenn keine besonderen Lagerhinweise vorhanden sind, lagern Sie Rezepturen bitte trocken bei Zimmertemperatur bis 24°C ohne direkte Licht- und Sonneneinstrahlung. Der typische Standort der deutschen Hausapotheke im Badezimmer ist also kontraproduktiv. Zu warm, zu feucht! Marina Leunig