Eine (verlorene?) Investition in die Zukunft
BILLSTEDT. In der heutigen Zeit des akuten Fachkräftemangels haben viele Arbeitgeber ein Interesse daran, eigenen Nachwuchs auszubilden oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fortzubilden beziehungsweise besser zu qualifizieren. So kann ein Spediteur einem einzustellenden Arbeitnehmer den Führerschein bezahlen oder einem bereits angestellten LKW-Fahrer den Schein für Gefahrguttransporte. Auch die Arbeitnehmer haben häufig hieran großes Interesse.
Diese Investitionen sollen sich dann auch für den Arbeitgeber wieder rentieren. Er soll nicht so sein, wie in einem vom Bundesgerichtshof jüngst entschiedenen Fall, dass ein Steuerberater seinem Angestellten den kompletten Lehrgang für die Qualifikation zum Steuerberater finanzierte und kaum, dass dieser den Lehrgang mit Erfolg abschloss, verließ er das Unternehmen und machte eine eigene Steuerberaterkanzlei in unmittelbarer Nähe auf. Nun mag das moralisch verwerflich sein. Unmoralisches Verhalten alleine gibt aber noch keinen rechtlichen Anspruch.
Viele Arbeitgeber wollen deshalb Fortbildungsverträge schließen, in denen die Rückzahlung der Fortbildungskosten vereinbart wird. Was aber sind die Fälle, in denen Fortbildungskosten zurückgezahlt werden müssen? Welche Laufzeit dürfen solche Vereinbarungen haben? Darf ein Arbeitgeber vereinbaren, dass der Arbeitnehmer lebenslang bei ihm arbeiten muss, andernfalls wären die Fortbildungskosten zurückzuzahlen? Nein, eine derartige Klausel würde den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, weil er sich nie wieder ohne die Fortbildungskosten zahlen zu müssen, eine andere Arbeit suchen könnte. Die Rechtsprechung hat deshalb Kriterien aufgestellt, anhand derer die Zulässigkeit von Rückzahlungsvereinbarungen zu prüfen sind:
Zunächst ist zu klären, was und wieviel zurückgezahlt werden muss und wie lange eine „Bindung“ des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber erfolgen darf. Das hängt davon ab, wie hoch die Fortbildungskosten sind. Geht es beispielsweise um Fortbildungskosten, die weniger als ein Bruttomonatsentgelt ausmachen, ist maximal eine Bindung von 6 Monaten für zulässig erachtet worden. Bei bis zu 2 Bruttomonatsentgelten darf die Bindungsdauer schon 12 Monate sein und wenn der Arbeitgeber mehr als das 24-fache eines Bruttolohns ausgegeben hat, darf er eine Regelung treffen, dass der Arbeitnehmer mindestens 60 Monate bei ihm beschäftigt sein muss, bevor er von der Rückzahlungsverpflichtung frei wird. Weiter ist notwendig, dass die zurückzuzahlenden Kosten „gestaffelt“ werden, dass also der zurückzuzahlende Betrag immer weniger wird, je länger das Arbeitsverhältnis andauert.
Dann ist zu klären, wann überhaupt die Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind. Das kann unproblematisch vereinbart werden für den Fall, dass der Arbeitnehmer selber kündigt vor Ablauf der genannten Frist oder es liegt eine arbeitgeberseitige Kündigung vor, weil der Arbeitnehmer sich vertragswidrig verhalten hat. Auch für den Fall des Abbruchs der Ausbildung kann eine solche Rückzahlungsvereinbarung getroffen werden.
Unzulässig ist dagegen jede Verpflichtung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten für den Fall, dass der Arbeitgeber selbst kündigt und der Arbeitnehmer keinen Anlass hierzu gegeben hat, oder wenn der Arbeitnehmer bereits in der Probezeit kündigt, oder wenn er leider die Prüfung nicht besteht. Das alles sind keine Gründe, in denen eine Regelung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten schlicht unwirksam wäre, selbst wenn sie so vereinbart wurde.
Auch was konkret zurückverlangt werden darf, muss genau bestimmt sein: Das Entgelt für die Zeit der Freistellung für die Ausbildung? Die Lehrgangskosten? Fahrtkosten? Übernachtungskosten? Alles ist möglich, aber alles muss für den Arbeitnehmer durchschaubar sein, er muss wissen können, worauf er sich einlässt.
Solche Fortbildungsvereinbarungen sind nicht nur für den Arbeitgeber, sondern auch für den Arbeitnehmer interessant. Im besten Falle kann er sich auf Kosten des Arbeitgebers fortbilden. Wenn er aber vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheiden möchte, ist es immer sinnvoll, eine solche Klausel durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen, bevor Schritte unternommen werden, die möglicherweise viel Geld kosten.
► Rechtsanwalt Axel Steffen, Rechtsanwälte Ingo Schwartz-Uppendieck, Werner Hölck, Axel Steffen
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