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Die Autonomen Jugendwerkstätten bilden benachteiligte Jugendliche in handwerklichen Berufen aus. Sehr viele von ihnen schließen danach einen Arbeitsvertrag ab

Hamburg-Eidelstedt: ajw Orte der Wertschätzung

Sandra Tiedemann arbeitet in der Tischlerei der ajw in Eidelstedt. FOTO: MICHAEL RAUHE

Eigentlich habe sie mal etwas mit Tieren machen wollen, erzählt Tiedemann. Das erwies sich aber als zu kompliziert, und danach fehlten ihr die Ideen. So wie Sandra Tiedemann geht es vielen. Ob Motivation, Wertschätzung oder Unterstützung von zu Hause: Irgendwas fehlte immer. Hier bei den ajw bekommen benachteiligte Jugendliche, die beispielsweise in einer Wohngruppe leben oder keinen Schulabschluss haben, ihre zweite Chance. „Zu uns kommen viele Mobbingopfer. Die merken oft erst hier, dass sie auch als Mensch akzeptiert werden. Wir nehmen sie so, wie sie sind“, sagt Ausbilderin Barbara Mohr.

Die Tischlermeisterin ist bereits seit 15 Jahren bei den ajw. Zwischen 24 und 26 Azubis betreut sie gemeinsam mit ihren Kollegen. Das sei besonders am Anfang oft schwierig: „Sei pünktlich, melde dich regelmäßig, arbeite sorgfältig: Das haben viele nicht gelernt. Aber dann zu sehen, wie sie mit der Zeit den Schalter umlegen, das macht schon Spaß“, sagt Barbara Mohr. Die Tischlerei ist eine von insgesamt fünf Ausbildungswerkstätten der ajw in Hamburg. Jugendliche können sich bei den Werkstätten auch zum Kfz-Mechatroniker, Maler, Landschaftsgärtner oder Elektroniker ausbilden lassen. Die ajw sind ein selbstverwalteter Verein, die Finanzierung erfolgt weitgehend durch die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt Hamburg. Außerdem sind die ajw auch auf Spenden angewiesen.

Angestoßen wurde das Projekt im Jahr 1983 von Straßensozialarbeitern. Der Grund war die Jugendarbeitslosigkeit, die in dem Jahr einen historischen Höchststand erreicht hatte. Damals wie heute gilt: „Wer eine Berufsausbildung erfolgreich abschließt, hält den Schlüssel für seine Zukunft in der Hand. Es ist die Garantie, sich später selbst zu finanzieren“, sagt ajw-Geschäftsführer Michael Maaß. Bewerben können sich Jugendliche bis 24 Jahre, die schon mindestens ein Jahr in Hamburg leben und zehn Jahre ihrer Schulpflicht absolviert haben. Ob dabei ein Abschluss herausgekommen ist, ist zweitrangig. „Wir machen mit den Bewerbern eine Kompetenzfeststellung, testen ihre Kenntnisse in Deutsch, Mathematik und Allgemeinwissen. Dabei geht es darum, einen Eindruck zu bekommen, wie viel Förderung für die Berufsschule sie brauchen und ob wir das gemeinsam schaffen können“, sagt Maaß.

Und natürlich spielt auch handwerkliches Geschick eine Rolle. „Wenn das gar nicht vorhanden ist, legen wir den Jugendlichen eine andere Berufswahl nahe“, sagt Mohr. Passt aber beides, funktioniert das Konzept hervorragend: „Etwa 70 Prozent bringen die Ausbildung bei uns zu Ende“, sagt Maaß. „Und von denen haben wiederum 95 Prozent nach einem halben Jahr einen Arbeitsvertrag in der Tasche.“ Die Erfolgsgeschichte führt zu einem regelrechten Bewerberansturm: „Wir haben für die Tischlerausbildung aktuell 50 Bewerbungen für acht Plätze auf dem Tisch.“ Eine Tendenz falle dabei allerdings auf: „Es bewerben sich immer weniger Mädchen bei uns. Als ich hier angefangen habe, war das Geschlechterverhältnis 50:50“, sagt Mohr. Sie habe fast das Gefühl, dass die Jugend in Sachen Handwerksberufen heute konservativer ist als früher.

Auch für junge Menschen, die gar keine Ahnung haben, was sie machen wollen, haben die ajw eine Lösung: die sogenannte ABO-Werkstatt. ABO steht für „Arbeits- und Berufsvorbereitung“. Hier hat etwa Sandra Tiedemann herausgefunden, dass Metallarbeit nichts für sie ist – zu kalt sei das Material. Aber Holz, ja, das gefällt ihr. „Das Schöne daran: Wenn mal was schiefgeht, kann man es einfach leimen“, erklärt sie. Und so ist es ja auch ein bisschen bei den ajw: Geht etwas im ersten Anlauf schief, gibt es immer noch einen anderen Weg zur erfolgreichen Ausbildung. SABRINA JUNGE
 


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