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Ärztemagazin

Sitzen macht krank - Die Risiken von Bewegungsmangel

Unterschätztes Risiko im Alltag

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Wir sind gemacht für den aufrechten Gang – und doch verbringen wir heute einen Großteil des Tages im Sitzen: Am Schreibtisch, im Auto, am Küchentisch und abends auf dem Sofa – insgesamt sitzen wir laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 10 bis 15 Stunden pro Tag, das sind mehr als fünf Monate im Jahr. Und das hat Folgen: Sitzen verbraucht so wenig Energie und beansprucht so wenige Muskeln, dass es zu einem gefährlichen Bewegungsmangel kommt. Unter dem Motto „Sitzen ist das neue Rauchen“ warnen Experten denn auch immer wieder vor dieser weit unterschätzten Gefahr. Laut einer australischen Studie aus 2008 verkürzt jede Stunde im Sitzen von dem Fernseher die Lebenserwartung um fast 22 Minuten, jede Zigarette „nur“ um 11 Minuten. Tatsächlich würden die gesundheitlichen Risiken des Sitzens in Fachkreisen höher eingeschätzt als die des Zigarettenrauchens, bestätigt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention und Dekan (em.) der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg, Prof. Dr. Klaus-Michael Braumann.

„Der Mensch ist nicht für dauerndes Sitzen oder Stehen geschaffen, sondern für die Bewegung.“

Viele chronische Krankheiten wie Arteriosklerose, Diabetes, Demenz, Osteoporose, Fettleibigkeit, Herzerkrankungen und die meisten Krebsleiden werden mit Bewegungsmangel und langem Sitzen in Verbindung gebracht. Diesen Erkrankungen liege eine erhöhte Aktivität entzündungsfördernder Botenstoffe zugrunde, während die Muskeltätigkeit zur Freisetzung entzündungshemmender Substanzen führe. „Werden diese in ausreichender Menge freigesetzt, ist ein wesentlicher positiver Effekt der Bewegung erreicht“, erklärt Braumann. Problematisch sei vor allem, dass das Sitzen die Bewegungszeit verkürzt. Bei täglich einer Stunde körperlicher Belastung mit hoher Intensität, zum Beispiel Ausdauersport, würde dieser negative Effekt vermutlich nicht auftreten. Nach den Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften solle man sich drei- bis viermal in der Woche für etwa 45 bis 60 Minuten bewegen.

Sitzen beeinträchtigt Konzentration und Produktivität


Prof. Dr. Klaus-Michael Braumann
Prof. Dr. Klaus-Michael Braumann
Langes Sitzen ermüdet aber auch die Muskulatur, beeinträchtigt die Konzentration ebenso wie die Durchblutung in den Beinen sowie die Atmungs- und Verdauungsorgane – und es sorgt für häufige Verspannungen in Nacken- und Rückenmuskulatur. „Durch langes Sitzen und mangelnde Bewegung leidet und degeneriert letztlich der gesamte Stütz- und Bewegungsapparat“, erklärt Dr. Isabel Carrero. Sie betreut Hamburger Unternehmen in Fragen der Arbeitsmedizin und -sicherheit: „Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems stehen an der Spitze der Arbeitsunfähigkeitsstatistik, zudem dauert eine Krankmeldung wegen Rückenschmerzen in der Regel länger als eine durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit.“ Obwohl dieses Problem die Produktivität der Mitarbeiter massiv beeinträchtige, gebe es in vielen Büros noch immer Sitzarbeitsplätze, die den ergonomischen Anforderungen nicht genügen, kritisiert Carrero. Selbst wenn ergonomisch gut gestaltete Bürodrehstühle vorhanden sind, seien die einzelnen Elemente des Arbeitsplatzes oft mangelhaft aufeinander oder auf den Nutzer abgestimmt.

Spaziergänge in den Pausen

Dr. Isabel Carrero
Dr. Isabel Carrero
Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit beraten Arbeitgeber und Mitarbeiter, wie sich Probleme durch falsches Sitzen vermeiden lassen. Eine Umstellung auf Stehtische ist übrigens keine Lösung, denn langes Stehen birgt eigene Gefahren und deshalb sollten Stehphasen nicht länger als 30 Minuten dauern. Ideal sei vielmehr ein häufiger Stellungswechsel, rät Carrero: „Der Mensch ist weder für dauerndes Sitzen noch für dauerndes Stehen geschaffen, sondern für die Bewegung. Deshalb sollte bei der Arbeit zwischendurch immer wieder für Bewegung gesorgt, Pausen für Bewegungsübungen oder kurze Spaziergänge genutzt und nach der Arbeit unbedingt Ausgleichssport betrieben werden.“

Unternehmen machen mobil

Viele Betriebe hätten sich des Problems mittlerweile angenommen und sorgten durch gezielte Maßnahmen für mehr Bewegung im Büro, berichtet Carrero: „Heute werden oft weniger Drucker installiert und an einem zentralen Ort aufgestellt, so dass die Mitarbeiter häufiger den Bürostuhl verlassen müssen. Mit sogenannten Deskbikes können Arbeitnehmer während des Sitzens in Bewegung bleiben. Und immer mehr Firmen animieren ihre Angestellten auch nach der Arbeit zu mehr Bewegung durch Betriebssportgruppen oder einen Zuschuss zum Fitnessstudiobeitrag.“ Jens Bonnet
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