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50 Jahre Norderstedter Zeitung

Auf einen Schnack mit Uwe und Eddy

50 Jahre Abendblatt in Norderstedt: Die guten Freunde Uwe Seeler und Eddy Münch sprechen über Freundschaft, Fußball und gute Manieren

Ob über den Hamburger SV, Eintracht Norderstedt, Weltpolitik oder die Geschichten aus der Umgebung: Uwe Seeler und Eddy Münch sind treue Abendblatt-Leser. FOTO: CHRISTOPHER HERBST
Ob über den Hamburger SV, Eintracht Norderstedt, Weltpolitik oder die Geschichten aus der Umgebung: Uwe Seeler und Eddy Münch sind treue Abendblatt-Leser. FOTO: CHRISTOPHER HERBST
Bewegt berichten beide von ihrem Besuch in der Schweiz. „Der Geist von Spiez“ wurde noch einmal heraufbeschworen, die mythische Gemeinschaft der Nationalmannschaft im Jahr 1954. Die Sepp-Herberger-Stiftung hatte geladen. Münch sitzt dort für den Norddeutschen Fußball-Verband im Kuratorium, Seeler ist Botschafter – unter anderem gemeinsam mit Horst Eckel, dem einzigen noch lebenden „Helden von Bern“. Sie prämierten Preisträger, die für bemerkenswertes, nicht selten ehrenamtliches Engagement stehen. Und für die integrative Kraft des Fußballs.

Mit dem Fahrrad fuhr Uwe Seeler nach Ochsenzoll

Ein besonderer Moment war der Rundgang durch das Stade de Suisse. An dieser Stätte, wo heute der Schweizer Meister Young Boys Bern spielt, besiegte Deutschland am 4. Juli 1954 im Stadion Wankdorf sensationell die große ungarische Elf um Ferenc Puskas im WM-Endspiel mit 3:2. Uwe Seeler war da noch ein 17-jähriger Teenager, sein Länderspieldebüt gab er erst im Herbst nach der Weltmeisterschaft bei einer 1:3-Niederlage gegen Frankreich.

"Wenn ich hochnäsig gewesen wäre, hätte mein Alter mich zusammengestaucht"

Uwe Seeler

Für ihn drehte sich alles um den HSV. Und deswegen gehörte die regelmäßige Fahrt vor die Stadtgrenze ins damalige Harksheide – von Norderstedt war noch längst keine Rede – zur Routine. „Mit dem Fahrrad fuhren wir zum Training. Wir trafen uns an der Alsterkrugchaussee oder an der Langenhorner Chaussee mit der Kolonne.“ Die A-Jugend des nicht minder legendären Trainers Günther Mahlmann war am Ochsenzoll, heute Paul-Hauenschild-Anlage, zu Hause. „Wir hatten einen extra Platz.“ Das war auch nötig, denn der Andrang war enorm. Seeler, Charly Dörfel, Horst Schnoor, Klaus Stürmer, Jürgen Werner – was da im Nachwuchs heranreifte, war verheißungsvoll.


Uwe Seeler und Eddy Münch kürzlich in Bern – dort gewann Deutschland 1954 den WM-Titel. FOTO: PRIVAT
Uwe Seeler und Eddy Münch kürzlich in Bern – dort gewann Deutschland 1954 den WM-Titel. 
FOTO: PRIVAT
Das sprach sich in der Hansestadt schnell herum. Auch im Hause Münch. „Mein Vater war ein eingefleischter HSV-Fan. Wir wohnten in Barmbek. Und er hörte, dass wir so eine tolle A-Jugend hätten. Ich musste mit ihm als kleiner Pimpf hierhin laufen.“ Und zwar vom Schmuggelstieg zu Fuß, weiter fuhr die Bahn ja noch nicht. Der junge Eberhard, so sein richtiger Vorname, hatte eigentlich keine Lust. Ihn nervte der lange Marsch, mit dem HSV wollte er nichts zu tun haben. Der einzige Trost: die leckere Fassbrause im alten Lindenhof. Aber das änderte sich beim Stadionbesuch. „Am Rothenbaum durfte ich direkt hinter dem Tor von Horst Schnoor sitzen. Da habe ich Uwe erstmals bewusst gesehen, da spielte er mit 17 in der Oberliga Nord für die Herren.“ Ja, er sei „ein Frühreifer“ gewesen, scherzt Seeler.

Als der Hamburger SV 1960 Deutscher Meister wurde, war Eddy Münch ein Fan. Es gibt nicht wenige, gerade ältere Anhänger des Vereins, die dieser Mannschaft, die ja ausschließlich aus Hamburger Jungs bestand, eine mindestens genauso große Bedeutung attestieren wie den 83er-Helden. Voneinander wussten Uwe Seeler und Eddy Münch jahrzehntelang nichts. Wie hätten sich die Wege auch kreuzen sollen? Zwar zog Seeler mit seiner Frau Ilka – sie feierten Anfang dieses Jahres diamantene Hochzeit – nach Norderstedt. Doch er hatte ja genug zu tun auf dem Platz und in seinem Job als Handelsvertreter für den Sportartikelhersteller Adidas. Dass die Seelers direkt neben dem Trainingsgelände wohnen, weiß jeder in der Stadt. Manchmal guckt er auch dem Nachwuchs zu. Doch eigentlich fehlt die Zeit. Er nimmt immer noch viele Termine für seine Stiftung wahr, ist für den DFB, den HSV unterwegs, einfach gern unter Leuten, stets für einen Schnack zu haben. Münch arbeitete als technischer Angestellter bei der Lufthansa, machte sich aber zeitgleich als Funktionär einen Namen. Über den Verband in Schleswig- Holstein, in Norddeutschland, dann im DFB. Und bei Eintracht Norderstedt, dem Club, den er mitgründete und wo er weiterhin Sponsoringkoordinator ist.

Bei der Eintracht lernten sich die Freunde kennen

Hier schließt sich der Kreis. Levin Öztunali, Enkel von Seeler, spielte in der CJugend an der Ochsenzoller Straße. „Und sein Vater Mete war bei uns Trainer. Uwe kam immer mal wieder vorbei. Dann habe ich ihn meiner Frau vorgestellt, die beiden haben sich auch angefreundet. So lange kennen wir uns.“ Er staunt immer noch über die unkomplizierte Art des Mannes, der ein Star ist. „Es ist toll, wie viel Freude er verbreitet. Er lehnt kein Autogramm, kein Selfie ab. Wir kommen zum Beispiel aus dem Volksparkstadion. Ein Trubel von 100 Menschen geht auf Uwe zu.“ Kein Problem. „Er steht im Regen, keine zehn Meter vom Auto entfernt, und gibt Autogramme.“ Warum auch nicht, fragt Uwe Seeler. Nein sagen? „Mit Kindern kann man doch so nicht umgehen. Wenn ich früher hochnäsig gewesen wäre, hätte mein Alter mich zusammengestaucht.“

Das ist auch seine Einstellung zu Medien. Ein ständiger Wegbegleiter war und ist das Hamburger Abendblatt. „Ich hatte nie ein Problem mit Reportern. Ich habe meinen Mitspielern immer gesagt: Gebt Auskunft, dann habt ihr auch keine Probleme.“ Zum Lesen kam er früher allerdings kaum. „Ich hatte ja meinen Beruf als Handelsvertreter, bin da 70.000 Kilometer im Jahr gefahren, und ich hatte den Fußball.“ Mit 82 Jahren ist das anders. „Meist gucke ich mittags in das Abendblatt. Ich fange immer vorne an. Und wenn ich bei einem Spiel selbst war, weiß ich schon, ob der Reporter das richtig gesehen hat oder nicht.“

Die Norderstedter Regionalausgabe kennt er natürlich bestens. „Gern lese ich den Sportteil. Da gibt‘s einen gewissen SC Norderstedt...“ Eddy Münch unterbricht grinsend: „Eintracht!“ Und schon haben die beiden Kumpel ihren nächsten Termin vereinbart. 25. Mai, Oddset-Pokalfinale der Eintracht gegen die TuS Dassendorf. „10.30 Uhr?“, fragt Seeler. Ja, leider. „Ach, als Jugendliche haben wir auch um neun oder zehn gespielt.“ Eddy Münch hat alles bereits arrangiert. „Da fahren wir hin.“ Auf zur nächsten Geschichte also.


Mit 41 Jahren geriet Uwe Seeler in ein irisches Erstligaspiel

Über Uwe Seeler ist ja schon oft genug alles geschrieben worden. Doch allein die Zahlen seiner Karriere sind außergewöhnlich. Die wichtigste: die 1. Denn er trug nur das Trikot eines Vereines – „seines“ Hamburger SV. Okay, so ganz stimmt das nicht, doch als Uwe Seeler am 23. April 1978 – sechs Jahre nach seinem offiziellen Karriereende – für Cork Celtic in der ersten irischen Liga auf dem Rasen stand, dachte er, es würde sich nicht um ein Pflichtspiel handeln. Er wollte eigentlich nur Adidas einen Gefallen tun. Von wegen, es ging um Punkte. „Ich war ziemlich überrascht, denn ich wusste nicht, dass dies mit einer Gastspielgenehmigung erlaubt war“, sagte er einmal rückblickend zu diesem skurrilen Match. Egal, im Alter von 41 Jahren schoss Seeler trotzdem zwei Tore, wenngleich die Partie mit 2:6 verloren ging. Cork Celtic löste sich übrigens 1979 auf.

Beim HSV lief es natürlich anders. 476-mal spielte Uwe Seeler im Herrenbereich mit der „Raute“, war schon als Teenager Stammkraft. Seine 404 Tore wird niemals ein Hamburger übertreffen, so viel ist sicher.

In der Oberliga Nord war der Verein nahezu unbesiegbar, und 1960 war es selbstverständlich „Uns Uwe“, der im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen den 1. FC Köln doppelt traf und so entscheidend zum 3:2-Erfolg beitrug. In der Bundesliga ließ sich das nicht wiederholen, auch wenn Uwe Seeler in der Premierensaison 1963/1964 Torschützenkönig war.

In der Nationalmannschaft debütierte Seeler 1954, einige Monate nach dem Gewinn des WM-Titels. In 72 Begegnungen erzielte er 43 Treffer, nahm unter anderem an vier Weltmeisterschaften teil. che
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