Anzeige
Themenwelten Bergedorf
50 Jahre Norderstedter Zeitung

Segeberger Geheimnisse

Serie – Viele kleine und große Ereignisse sind im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben und interessante Geschichten entdeckt – heute: Signale aus dem All

Malte Kock ist der Herr über die Satellitenschüsseln. Er sorgt für Programmvielfalt auf den Fernsehschirmen. Die Satellitenschüsseln empfangen 450 TV- und mehr als 190 Radioprogramme aus der ganzen Welt. Im Angebot sind auch Programme auf Bosnisch, Koreanisch oder Englisch. FOTO: FRANK KNITTERMEIER (2)
Malte Kock ist der Herr über die Satellitenschüsseln. Er sorgt für Programmvielfalt auf den Fernsehschirmen. Die Satellitenschüsseln empfangen 450 TV- und mehr als 190 Radioprogramme aus der ganzen Welt. Im Angebot sind auch Programme auf Bosnisch, Koreanisch oder Englisch. FOTO: FRANK KNITTERMEIER (2)
Frank Knittermeier

Eine Satellitenschüssel gibt es in vielen Haushalten. Aber in Norderstedt gibt es ein Gebäude mit vielen Schüsseln auf dem Dach. An der vielbefahrenen Oadby-and-Wigston-Straße sind sie an der Fassade des Wasserwerks angebracht und nach Süden ausgerichtet. Was steckt hinter den geheimnisvollen Schüsseln, die geradezu futuristisch anmuten? Hat der amerikanische Geheimdienst NSA hier seine Ohren aufgesperrt?

Diese Frage stellen sich nicht nur die Anwohner der neuen Oadby-and-Wigston-Straße, sondern auch die Autofahrer, die auf dem Abschnitt zwischen Ulzburger Straße und Waldstraße auf Norderstedts neuer Umgehungsstraße unterwegs sind und auf der Höhe von Jungheinrich die Wand passieren, an der ein Empfangsgerät neben dem anderen hängt. „Wir bekommen immer wieder Anfragen“, sagt Oliver Weiß, Sprecher der Stadtwerke, der das Geheimnis der weißen Schüsseln gern lüftet.

Von den Schüsseln profitieren TV-Zuschauer im Saarland

Was da die Aufmerksamkeit auf sich zieht, empfängt TV-Signale aus dem All, bereitet sie auf und verteilt sie an mehrere Hunderttausend Kunden, 300.000 davon allein in der Hansestadt Hamburg, wo willy.tel, der Kooperationspartner von wilhelm.tel, aktiv ist. Doch auch in Hannover und selbst im Saarland können sich TV-Zuschauer dank der Signale aus Norderstedt unterhalten und informieren lassen. Die wilhelm.tel GmbH ist ein regionaler Anbieter von Telekommunikationsleistungen mit Sitz in Norderstedt. Das Unternehmen ist über die Stadtwerke Norderstedt zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Norderstedt. Die Zahl der Kunden steigt ständig. Seit 2013 wird in Norderstedt und in Teilen Hamburgs ein kostenfreies Wi-Fi-Netzwerk ohne Zeit- und Datenlimitierung zur Verfügung gestellt. Was die Satelliten aus ihrer stabilen Position in rund 36.000 Kilometer Höhe zur Erde senden, fängt die Empfangsstation, im Fachjargon Kopfstation, in Norderstedt auf. Sie hängt direkt am Wasserwerk Friedrichsgabe. Von dort werden die Informationen via Glasfaserkabel weitergeleitet.

Futuristischer Anblick: Satellitenschüsseln am Norderstedter Wasserwerk.
Futuristischer Anblick: Satellitenschüsseln am Norderstedter Wasserwerk.
Erster Anlaufpunkt für die Satelliten-Signale aus dem Universum sind die Parabol-Antennen, die im oberen Bereich der Fassade angebracht und nach Süden ausgerichtet sind. „Das ist nötig, weil die TV-Satelliten über dem Äquator stehen“, sagt Malte Kock, der bei den Stadtwerken für technische Planung und Systemintegration zuständig ist. Kock und sein Team verfahren nach dem gleichen Prinzip wie der private Satelliten-Nutzer. Nur: An der Wand der Empfangsstation kleben gleich 20 Schüsseln. Die Menge ist nötig, um den Kunden Vielfalt auf dem Bildschirm zu bieten. Einschließlich Bezahl-Sendern stellt der Norderstedter Kommunikationsanbieter 450 TV-Sender zur Verfügung, hinzu kommen über 190 Radiosender.

Die 16 Parabol-Antennen mit einem Durchmesser von 1,20 Metern und die vier mit einem Durchmesser von 1,80 Metern nehmen die Signale von 17 TV-Satelliten auf. Darunter sind bekannte wie Eutelsat und Astra, der auf der Orbitposition 19,2 Grad Ost mit ihrer Satellitenflotte ungeschlagen die Nummer eins für deutschsprachige Angebote in Europa sind „Sorgen machen uns die Angebote aus der Türkei, weil die Sendeleistung oft schwach ist“, sagt Kock. Dennoch gelingt es den Norderstedter Technikern, die Inhalte „aus dem All zu fischen“.

Das ist nicht das einzige fremdsprachige Angebot. Den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera können Kunden auf Bosnisch, Arabisch und Englisch empfangen, Ariana Afghanistan sendet auf Paschtu, Arirang TV auf Koreanisch und ARM 1 auf Armenisch. „Wenn entsprechende Anfragen bei uns eingehen, versuchen wir die Senderechte zu bekommen und schalten auch Übersetzer ein, wenn nötig“, sagt Malte Kock.

Nicht nur die Zahl der Satellitenschüsseln unterscheidet sich vom Privatbereich. Die professionellen Empfangsgeräte von wilhelm.tel sind beheizbar, damit die Sendequalität nicht durch Eis und Schnee leidet. Ein kleiner Sensor stellt fest, ob Schnee oder Eis den Empfang beeinträchtigen. „Nur wenn das der Fall ist, springt die Heizung an“, sagt Malte Kock. „Es würde zu viel Energie kosten, wenn die Heizung bei kaltem Wetter permanent laufen würde.“

280 Receiver in der Station verarbeiten die Signale

Außerdem ist jede Leitung, die im Aufbereitungsraum ankommt, einzeln gegen Blitzschlag abgesichert. Zudem sind die Satellitenschüsseln äußerst stabil verankert. Damit die Wand die Last trägt, ist das Stahl-Beton-Gemisch 60 Zentimeter stark. Und für das Stahlgerüst wurden nochmals sechs Tonnen Stahl verbaut. 280 Receiver verarbeiten die Signale. Fällt einer aus, ist Ersatz vorgesehen, so dass die Kunden nicht auf einen dunklen Bildschirm gucken müssen. Schon immer war die Kopfstation ans Wasserwerk angeflanscht.

Als das marode Gebäude am Ende der Lawaetzstraße im Jahr 2012 durch einen Neubau ersetzt wurde, nutzten Kock und sein Team die Chance, gleich einen Hightech-Bau auf die Wiese zu setzen. Energiesparen lautete da das Motto. So wird die Wärme, die die Receiver erzeugen, nach nebenan geleitet, wo sie Büros, den Sozial- und Sitzungsraum heizt. Kaltes Quellwasser wird nicht nur als Trink- und Brauchwasser gefördert, sondern auch, um die Empfänger zu kühlen. „Natürlich in einem extra Kreislauf, der komplett vom Trinkwasser-Kreislauf getrennt ist“, sagt Kock, der „Herr“ über 20 Parabol-Antennen, die Hunderttausenden von Kunden einen guten Fernsehempfang garantieren.

Abendblatt-Buch

Die Geschichte über das Gebäude mit den vielen Satellitenschüsseln wird auch in dem Abendblatt-Buch nachzulesen sein, das im Oktober herauskommt. Insgesamt enthält das Buch 50 „Segeberger Geheimnisse“, von denen die meisten bereits in den vergangenen zwei Jahren als Serie in der Norderstedt- Ausgabe des Abendblatts veröffentlicht wurden. In der preisgekrönten Reihe „Geheimnisse der Heimat“ sind auch zwei Bücher mit „Hamburger Geheimnissen“ erschienen. HA
Weitere Artikel