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Ob aus Ölfass, Fahrradschlauch oder recycelbarem Werkstoff: Diese Möbel kauft man auch mit gutem Umweltgewissen

Wie Designer Nachhaltigkeit in schöne Formen bringen

Von Glockengeläut: ein Tisch, der mal ein Ölfass war. FOTOS: HERSTELLER

Nachhaltigkeit hat längst nicht mehr mit Verzicht und langweiligem Design zu tun. Mittlerweile kommen manche Abfallprodukte sogar als Designerstück ganz groß raus. Ein Grund für diese Entwicklung ist ein Imagewandel: Sich nachhaltig zu verhalten gibt ein gutes Lebensgefühl, macht Spaß, und die Produkte sind auch noch ästhetisch gestaltet.

Dies bestätigen Designpreise, die nicht nur die Gestaltung, sondern auch Nachhaltigkeit im Blick haben. Der Green Product Award etwa wendet sich vor allem an junge Designer, Studierende, Start-ups und innovative Unternehmen. Er soll Ideen, die in jeder Herstellungsphase die Umwelt im Blick haben, fördern. So kürte die Jury den Entwurf der Hamburger Designerin Jutta Werner zum diesjährigen Sieger. Während eines Aufenthaltes in Indien fiel ihr ein Berg von alten Fahrradschläuchen auf. Sie ließ diese aufschneiden und mit einem Spezialgarn zu In- und Outdoor-Teppichen verarbeiten. „Der Gedanke, aus dem, was bereits vorhanden ist, etwas Neues zu gestalten, treibt mich bei all meinen Entwürfen an“, erklärt Jutta Werner, die in ihrem „Nomad“-Showroom an der Oberstraße ihre Entwürfe zeigt. So fertigt sie auch aus Bonbonpapieren und Schurwolle schillernde Teppiche. Die glitzernden, eingewebten Schnüre verwandeln jedes Stück in ein Unikat. 
 

Aus Schläuchen: ein Teppich der Hamburger Designerin Jutta Werner.
Aus Schläuchen: ein Teppich der Hamburger Designerin Jutta Werner.

Auch Carsten Trill von der Hamburger Firma Lockengelöt setzt auf Upcycling. Gemeinsam mit seinem Team haucht er überzählig produzierten Ölfässern, die der Hersteller sonst einstampfen würde, ein neues Leben als Barschrank, Couchtisch oder Regal ein. „Wir wollen Dinge, die abgeschrieben oder von der Zeit überholt wurden, wiederbeleben“, erklärt der gelernte Grafikdesigner. Das Vorhaben klappt perfekt, auch bei alten Vinyl-Schallplatten. Sie erleben ein Revival als schön gestaltete Schalen oder Leuchten. Aber auch kaputte Skateboards machen Karriere, werden zu Untersetzern oder extravagantem Schmuck verarbeitet.

Streng genommen versteht man unter Nachhaltigkeit ein Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen kann. Diese Definition berücksichtigt allerdings nicht Aspekte wie grundsätzliche Überlegungen zu Konsumgewohnheiten, das Bewusstsein für energie- und ressourcensparendes Verhalten sowie das Interesse für die Art der Herstellung der Produkte – inklusive der Betrachtung der Lieferkette, die ein Produkt vom Rohmaterial bis zum Endverbraucher zurücklegt. Welches Produkt tatsächlich die Bezeichnung „nachhaltig“ verdient, ist nicht eindeutig. Sind beispielsweise die Materialien und Verarbeitung entsprechend ausgewählt und hergestellt worden, muss auch die Verpackung, der Transportweg und die spätere Entsorgung des Produktes in der Nachhaltigkeitssbilanz Berücksichtigung finden.
 

Haben den Nachhaltigkeitspreis bekommen: die Möbel von WYE Design.
Haben den Nachhaltigkeitspreis bekommen: die Möbel von WYE Design.

Es ist selten möglich, ein Produkt als durch und durch nachhaltig zu bezeichnen, zumal einige Zertifizierungen keine eindeutigen Parameter festlegen und die Begriffe „Bio“ oder „Wohngesund“ zur Imagepflege von manchen Herstellern zweckentfremdet werden. Klar ist: Möchte man seinen ökologischen Fußabdruck möglichst klein halten, ist der Kauf von Möbeln aus heimischen Hölzern, die weitestgehend metallfrei verarbeitet werden, deren Transportwege kurz sind und die unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt worden, ratsam. Meist sind solche Möbel teurer als Modelle vom Fließband, da die Hersteller auf Langlebigkeit setzen und die Möbelstücke aufwendig gearbeitet sind.

„Made in Germany“ – dieses Label nutzen Hersteller als Verkaufsargument. Allerdings steckten bisher keine konkreten Kriterien dahinter. Reicht es schon, wenn die Schrauben für das Möbelstück in Deutschland hergestellt werden? Der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) hat nun genau zu diesem Thema das Label „Möbel Made in Germany“ ins Leben gerufen. Ein Hersteller darf es nur verwenden, wenn klare Anforderungen erfüllt sind. So müssen Konstruktion, Montage und Qualitätsprüfung in Deutschland stattgefunden haben und mindestens 55 Prozent der Bauteile eines Möbelprogramms – bezogen auf ihren Wert – aus deutscher Produktion stammen.

„Beim Möbelkauf soll das neue Herkunftslabel den Verbrauchern als verlässliche Entscheidungshilfe dienen“, sagt Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie. Manche Produkte scheinen auf den ersten Blick nichts mit nachhaltigem Verhalten zu tun zu haben, zeigen aber bei genauer Betrachtung, wie weitreichend die technischen Innovationen sind. So verringert ein Wassersystem, das in der Küche kohlensäureversetztes Wasser direkt aus der Armatur anbietet, sowohl die Produktionszahlen von Plastikflaschen und Getränkekisten als auch die Anzahl der Fahrten mit dem Auto zum Getränkemarkt.

Man spürt: Nachhaltigkeit ist längst zum Lifestyle-Trend geworden. Susanne Speckter

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