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Hier werden unheilbar kranke Menschen, die sich auf ihrem letzten Weg befinden, und ihre Angehörigen einfühlsam und kompetent begleitet

Ein Besuch im Hamburger Hospiz Helenenstift in Altona

Das Hamburger Hospiz im Helenenstift befindet sich in Altona. Zurzeit gibt es dort etliche Baumaßnahmen, unter anderem wird ein zweistöckiger Anbau realisiert Foto: Heinrich Holtgreve

Ein sonniger Herbstvormittag in Altona. Mit einem Grummeln im Bauch betrete ich das Hamburger Hospiz, das im schönen, traditionsreichen Helenenstift im Herzen Altonas beheimatet ist. Es ist das erste Mal, dass ich ein Hospiz besuche. Was wird mich erwarten? Die leichte Anspannung löst sich, als mich die freundliche Frau am Empfang herzlich begrüßt. Ich schaue mir die schönen Gemälde in dem lichtdurchfluteten Foyer an, dann kommt auch schon Angela Reschke um die Ecke, mit der ich verabredet bin. Die Diplom-Psychologin ist im Hospiz für Trauer-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Als Erstes erzählt sie mir, dass der Hamburger Hospiz e. V. der älteste Hospizverein Hamburgs ist. Mit seinen insgesamt vier Arbeitsbereichen bietet er eine ganzheitliche und konfessionell ungebundene Hospizarbeit an.

Deren erste Säule ist der ambulante Hospizberatungsdienst, der aus einer Beratungsstelle und einem ehrenamtlichen Besuchsdienst besteht. Im ambulanten Hospizberatungsdienst wirken professionelle Beraterinnen und rund 100 geschulte ehrenamtliche Frauen mit. Eine Psychologin, eine Palliativpflegekraft und eine Sozialarbeiterin beraten telefonisch und persönlich. Die Ehrenamtlichen stehen für mitmenschliche Begleitung durch nachbarschaftliche Hilfe und Gespräche zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus bereit.
 

Rund-um-die-Uhr-Begleitung und ganzheitliche Zuwendung

Die zweite Säule der Hospizarbeit ist der stationäre Dienst. Im Hamburger Hospiz im Helenenstift werden 16 unheilbar kranke Menschen in ihrer letzten Lebenszeit beherbergt. Ein gut 70-köpfiges Team, das aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, Ärzten und freiberuflichen Therapeuten, wie Physio- und Musiktherapeuten, besteht, bietet pflegerische, medizinische, psychosoziale, spirituelle und mitmenschliche Begleitung rund um die Uhr. Angehörige können jederzeit zu Besuch kommen und kostenfrei im Hospiz übernachten. Sogar Haustiere sind willkommen. „Ambulant wie stationär lindern wir über eine ganzheitliche Zuwendung, die alle Aspekte des Lebens, belastende Lebensumstände und Symptome in den Blick nimmt“, sagt Angela Reschke.


„Ob erkrankt, sterbend, angehörig oder hinterblieben: Bei uns darf jeder so sein, wie er ist. Wertfrei und empathisch respektieren wir die vielfältigen Lebensentwürfe von Betroffenen und richten danach unsere Arbeit aus. So verwirklichen wir den Wunsch vieler, ein Höchstmaß an Lebensqualität und Selbstbestimmung am Lebensende und im Abschied zu erleben.“

Angela Reschke


Trauerarbeit als dritte Säule

Zeit für einen Rundgang. In dem großen Gruppenraum im Erdgeschoss trifft sich gerade eine Trauergruppe. Denn Hospizarbeit macht vor der Trauer der Hinterbliebenen nicht halt. „Unsere Trauerarbeit als dritte Säule richtet sich mit Beratungen, Trauergruppen, Seminaren, Veranstaltungen und Vorträgen an Hinterbliebene“, erzählt meine Gastgeberin. „Gleichermaßen setzen wir uns mit unserer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit – die vierte Säule – für einen würdevollen und solidarischen Umgang mit Abschied nehmenden Menschen in unserer Gesellschaft ein. Interessierte laden wir jährlich zu über 50 Veranstaltungen wie Vorträgen, Seminaren, Ausstellungen ein. Zudem engagieren wir uns in den digitalen Medien.“

„Sterben hat immer mit Spiritualität zu tun“

Auf den Weg in den ersten Stock begleitet mich Geschäftsführer Kai Puhlmann, der seit 20 Jahren an Bord ist. Hier und im zweiten Obergeschoss befinden sich die Zimmer der „Gäste“, wie die Hospizler ihre Klienten mit einer zum Tode führenden Krankheit nennen.

Diese kommen zumeist aus dem Krankenhaus direkt ins „Gästehaus“. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt etwa 30 Tage. Es kann aber auch sein, dass jemand ein Jahr bleibt. Es sei denn, ihr Zustand stabilisiert sich und sie können das Hospiz verlassen. Sehr ruhig ist es in diesem Bereich, von der Hektik eines Krankenhauses keine Spur. Eine Frau sitzt im gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum und puzzelt, sonst ist niemand zu sehen. „Die meisten Gäste halten sich in ihrem Zimmer auf, weil sie bettlägerig sind. Manchmal gehen unsere Gäste aber auch draußen spazieren oder sie trinken gemeinsam einen Kaffee auf der Terrasse“, erklärt mir Kai Puhlmann.

In der Küche treffen wir auf Marc Bratic, den Koch und Hauswirtschafter. Er ist für das leibliche Wohl der Gäste zuständig. Auf der Speisekarte stehen diese Woche unter anderem Zwiebelkuchen, Frikadellen, Bratwürstchen und Senfeier – leckere Hausmannskost! „Ein gutes Essen zu bekommen, ist für die Menschen hier sehr wichtig. Zudem sorgt es für Abwechslung“, sagt Marc Bratic. „Sonderwünsche erfüllen wir selbstverständlich gern, sofern sich dies einrichten lässt.“

Der Tod gehört zum Leben dazu

Ein besonders ungewöhnlicher Wunsch wurde vor einigen Wochen an ihn herangetragen. Ein Gast wollte ein Fohlensteak. In diesem Fall musste der Küchenchef ausnahmsweise passen, weil dies nicht aufzutreiben war. Kai Puhlmann zeigt mir noch den Waschraum und den Raum der Stille, in den sich Angehörige und Gäste jederzeit zurückziehen können.

Das Sterben habe immer auch etwas mit Spiritualität zu tun, so der Geschäftsführer.

Der Tod gehöre zum Leben dazu und fordere uns dazu auf, unser Leben sehr bewusst und selbstbestimmt zu leben, betont Angela Reschke. Angst vor dem Sterben habe sie nicht, weil sie wisse, dass sich sowohl körperlicher als auch seelischer Schmerz lindern lasse. „Das muss aber nicht heißen, dass jeder unbedingt schmerzfrei sterben möchte. Letzten Endes findet jeder seinen Weg und sein Tempo“, so ihre Erfahrung. Wenn das Lebenslicht eines Gastes erlischt, wird im Foyer eine Kerze angezündet. Heute brennt keine Kerze. Nach dem Tod können die Verstorbenen bis zu 36 Stunden im Zimmer bleiben. Nach der Überführung wird das Zimmer 24 Stunden nicht belegt. In der folgenden Dienstbesprechung erfahren die Verstorbenen eine Würdigung und einmal im Jahr gibt es eine Abschiedsfeier, bei der Angehörige Raum erhalten, noch einmal über die gemeinsam erlebte Zeit im Hospiz zu sprechen.

Als ich schließlich das Hospiz verlasse, habe ich ein gutes Gefühl. Das Engagement der Menschen, die hier arbeiten, hat mich zutiefst beeindruckt. Und ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass Hospiz jeden angeht und dass Hospizarbeit eine Haltung ist, die an jedem Ort gelebt werden kann, ob zu Hause, im Pflegeheim oder im stationären Hospiz csl
 

Buchtipp: Männer in Todesnähe

Ein Besuch im Hamburger Hospiz Image 2

Wann immer es gilt, den Tod persönlich und dialogisch zu thematisieren, sei es in der Begleitung Sterbender oder in Trauergruppen, sind Männer deutlich in der Minderheit. Dieses lesenswerte Buch stößt Selbsterkennungsprozesse an und ermutigt dazu, zu den eigenen Gefühlen, Wünschen und Herangehensweisen zu stehen und diese selbstbewusst zu vertreten. In diesem Sinne lernen Männer von anderen Männern, während sich Leserinnen neue Perspektiven auf männliches Erleben eröffnen. Das Buch schafft innere Räume, in denen eigene Lebenswege erkundet werden können, nicht nur am Lebensende und in der Trauer, sondern gerade auch mitten im Leben – und vor allem miteinander! Es zielt somit auf den längst überfälligen Gedankenaustausch der Geschlechter untereinander. Darin enthalten sind zehn faszinierende Gespräche mit Männern, denen der Tod bevorsteht.

Männer in Todesnähe – zehn Gespräche am Lebensende: Angela Reschke und Dr. Martin Kreuels, Nachwort: Prof. Traugott Roser. 260 Seiten, ISBN: 9783748184171, 19,90 Euro.


Spenden und Bieten

Die Dienste des Hamburger Hospizes e. V., zu denen Beratung und Begleitung, aber auch Bildungsarbeit gehören, sind für jeden, der sie in Anspruch nimmt, kostenfrei. Spenden sind daher dringend erforderlich, auch für den Ausbau der Einrichtung.

Spendenkonto: Hamburger Hospiz e. V., GLS – Gemeinschaftsbank, IBAN: DE 73 4306 0967 0044 0567 10, BIC: GENODEM1GLS.

Eine gute Möglichkeit, das Hamburger Hospiz zu unterstützen, hat man bei der noch bis 17. Dezember laufenden Kunstauktion, für die zahlreiche Künstler Werke gespendet haben, darunter auch Udo Lindenberg. Die Bilder hängen derzeit im Hospiz in der Ausstellung „Zeitenwende und Heimatfieber“, die ist unbedingt einen Besuch wert und auch online einzusehen. Der Erlös der „blinden“ Versteigerung kommt der Arbeit des Hamburger Hospizes zugute. Infos: https://auktion.hamburger-hospiz.de/start.php

Weitere Infos:
Tel. 38 90 75-0
www.hamburger-hospiz.de

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