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Abschied

Hamburger Hospiz: Wenn Worte fehlen, können Farben helfen

Der Tod und die (schöne) Kunst haben seit jeher eine tiefe Verbindung zueinander

Kunst als Türöffner und Gesprächsthema: Besucher auf einer der Benefizausstellungen im Hamburger Hospiz in der Helenenstraße. Foto: Hamburger Hospiz e. V.
Kunst als Türöffner und Gesprächsthema: Besucher auf einer der Benefizausstellungen im Hamburger Hospiz in der Helenenstraße. Foto: Hamburger Hospiz e. V.
Meine Farben wirken wie abgeschnitten. Was ich schwer in Worte fassen kann, entsteht da auf dem Blatt: Gefühle, die über- und untereinander liegen, sich gegenseitig durchdringen, widersprüchliche Gefühle, die miteinander verwoben sind. Das sind Dinge, die ich beim Betrachten sehe, nicht beim Tun. Mein Inneres, das nichts mit dem Kopf zu tun hat, ist auf dem Papier.“ Mit diesen Worten beschreibt eine Teilnehmerin des Workshops „Trauer in Form und Farbe“ ihren persönlichen Werkprozess. Zielgruppe der Workshops sind trauernde Angehörige, die sich malend ihrer Trauer stellen.

Tod und Trauer als Motiv

Der Tod und die (schöne) Kunst – passt das zusammen? Unbedingt! Und das gleich auf mehreren Ebenen: Zunächst einmal sind Sterbende, Trauernde und der personifizierte Tod immer schon Motive für Künstler gewesen. Zu den bekanntesten zählen die zahlreichen künstlerischen Darstellungen des sterbenden und gestorbenen Christus am Kreuz. In fast jeder Kirche sind sie zu sehen. Mal wird das Leiden, mal die Erlösung, mal die Trauer der Jünger in den Fokus gerückt.
   
Gefühle „in Form“ gebracht

Aber Tod und Trauer haben nicht nur als konkrete Motive einen Platz in der Kunst. Kunst kann auch eine Sprache sein für etwas, für das man einfach keine Worte findet – zum Beispiel, wenn die Gefühle nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen „über- und untereinanderliegen, sich widersprechen und trotzdem verwoben sind“, wie von der anfangs zitierten Seminarteilnehmerin beschrieben.
    
„Den Stift in der Hand kommen mir viele Bilder“, berichtet die Teilnehmerin weiter. Diese Bilder auf Papier zu bringen, vielleicht dann noch einmal in aller Ruhe betrachten und mit anderen Menschen besprechen zu können, kann befreiend und heilsam sein. Für manche „Künstler“ eröffnet sich durch diese Form der Auseinandersetzung zudem ein neuer Blick auf die eigenen Empfindungen und Erinnerungen.

Dies gilt nicht nur für Angehörige, sondern auch für Schwerkranke und sterbende Menschen selbst. Ihnen kann die künstlerische Auseinandersetzung beim Umgang mit ihren Ängsten und der Trauer um das eigene Leben helfen. Viele Hospizeinrichtungen machen ihren Gästen daher kunsttherapeutische Angebote.

Künstlerischer Ausdruck für Trauern
    
Im Foyer des Hamburger Hospizes steht eine Litfasssäule. Sie bietet Platz für kreativen Ausdruck in Bild und Text – und wird längst nicht mehr nur von Kindern genutzt. Foto: Hamburger Hospiz e. V.
Im Foyer des Hamburger Hospizes steht eine Litfasssäule. Sie bietet Platz für kreativen Ausdruck in Bild und Text – und wird längst nicht mehr nur von Kindern genutzt. 
Foto: Hamburger Hospiz e. V.
Auch Gegenwartskünstler befassen sich intensiv mit dem Thema. „Trauern. Von Verlust und Veränderung“ lautet der Titel einer Ausstellung, die ab Anfang kommenden Jahres in der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist. In den Werken wird es nicht nur, aber auch um den Verlust durch Tod gehen. Die Ausstellung will den Fragen nachgehen, welche Bilder Künstlerinnen und Künstler heute für Abschied, Trauer, Verlust und Wandel finden, welche Bedeutung überlieferten Pathosformeln und eindeutigen Symbolen zukommt und was der Umgang mit Trauer über unsere Gegenwart erzählen kann. „Ob es sich um den Verlust eines geliebten Menschen durch Trennung oder Tod handelt, den Abschied von Idealen und Visionen, den Verlust von Heimat und Vertrautheit – wir alle machen in unserem Leben leidvolle Erfahrungen von Enttäuschung, Scheitern und Unwiederbringlichkeit. Obwohl diese Erlebnisse uns individuell betreffen, ist die Art und Weise unseres Umgangs mit ihnen, ihrer Darstellung und ihrer Wertung abhängig von unserem kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld“, heißt es in der Ankündigung dieser dritten Ausstellung in einer Reihe, die sich mit „Tabu- und Grenzthemen“ auseinandersetzt.

Willkommen im Hospiz: Türöffner Kunst
    
Balken im Auge/Trauernde Hände (1964, Öl auf Leinwand, 77 x 115 cm). Dieses Bild von Maria Lassnig (1919-2014) ist ab Mitte Februar in der Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung „Trauern. Von Verlust und Veränderung“ zu sehen. Bild: Maria Lassnig Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Balken im Auge/Trauernde Hände (1964, Öl auf Leinwand, 77 x 115 cm). Dieses Bild von Maria Lassnig (1919-2014) ist ab Mitte Februar in der Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung „Trauern. Von Verlust und Veränderung“ zu sehen. Bild: Maria Lassnig Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Dass die „Tabu- und Grenzthemen“ Tod und Trauer ihren Platz (wieder) mitten in der Gesellschaft einnehmen, ist eine der Grundforderungen der Hospizbewegung. Kunst – und Künstler – können eine große Hilfe sein. Ein gutes Beispiel dafür ist die jährliche Benefiz-Ausstellung im Hamburger Hospiz. Bekannte Künstlerinnen und Künstler stellen bereits seit Mitte Oktober dieses Jahres insgesamt 50 Kunstwerke in den Hospizräumen in der Helenenstraße aus. Bis Anfang Dezember sind die Werke zu sehen, die in einer verdeckten Auktion ersteigert werden können. Das Motto 2019: „Ewig dieser Augenblick“. Ausstellungen gibt es übrigens in vielen Hospizen. Nicht nur die Menschen, die in den Hospizen ein Zuhause auf Zeit finden, freuen sich über abwechselnde Bilder in den Fluren. Die Kunstwerke sind oft auch Türöffner. „Wir wollen Menschen einladen, die emotionale Schwelle zu überwinden, die viele davon abhält, in die Räume eines Hospizes zu kommen“, sagt Angela Reschke. Sie leitet die Trauer-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Hamburger Hospizverein.
   
„Rinnende Zeit“ – dieses Werk stammt unverkennbar von Otto Waalkes. Er hat es zwar unabhängig von der Benefizausstellung im Hamburger Hospiz gemalt, fand es aber sehr passend zu dem diesjährigen Motto „Ewig dieser Augenblick“ und stiftete einen limitierten Gicléedruck auf Leinwand. Bild: Otto Waalkes | WATT Kunst GmbH
„Rinnende Zeit“ – dieses Werk stammt unverkennbar von Otto Waalkes. Er hat es zwar unabhängig von der Benefizausstellung im Hamburger Hospiz gemalt, fand es aber sehr passend zu dem diesjährigen Motto „Ewig dieser Augenblick“ und stiftete einen limitierten Gicléedruck auf Leinwand.
Bild: Otto Waalkes | WATT Kunst GmbH
„Oft stellen Besucher dann fest, dass ihre Phantasie schlimm war, doch die Atmosphäre im Hospiz Trost und Lebensfreude vermittelt.“ Das Titelbild der diesjährigen Ausstellung im Hamburger Hospiz hat übrigens jemand gemalt und als limitierten Gicléedruck auf Leinwand gestiftet, den die meisten wohl eher aus der komischen Ecke kennen: Otto Waalkes. Es heißt „Rinnende Zeit“ und erinnert sicher nicht ganz zufällig an ein Werk des Surrealisten Salvador Dalí – mit Ottifanten. Otto Waalkes Antwort auf die Frage, ob seine Ottifanten und Themen wie Vergänglichkeit, Trauer und Tod gut zusammenpassen: „Ich glaube nicht. Ich finde Ottifanten allerdings tröstlich, denn Comicfiguren sind aus Prinzip unsterblich, ja, sie altern nicht einmal – und das Thema Trost ist doch in einem Hospiz nicht ganz fehl am Platze, oder?“ ivo

Trauernden Zeit schenken, Toten Raum geben

Das Trauerzentrum und Kolumbarium St. Thomas Morus – ein ganz besonderer Ort in Stellingen

Ein Trauerzentrum und Kolumbarium in einer Kirche, in der die Gemeinde weiterhin Gottesdienste feiert – das ist bislang einzigartig in Deutschland. Trauer hilft bei Abschied, Schmerz und Tod. Sie zulassen und individuell ausdrücken zu können, braucht Zeit, Mitgefühl – und einen passenden Ort. Das Trauerzentrum ist offen für alle, die sich Begleitung und Hilfe in Zeiten der Trauer wünschen. In der Stellinger Kirche St. Thomas Morus und im Innenhof, der an das Trauerzentrum angrenzt, wurde im Spätherbst 2016 ein Kolumbarium eröffnet. Die Asche von Verstorbenen findet hier einen würdigen und ästhetisch ansprechenden Platz. Dabei besteht die Möglichkeit, sich entweder im Kirchenraum oder im Freien, im sogenannten Paradiesgarten, bestatten zu lassen.

Kolumbarium und Trauerzentrum bieten viele Möglichkeiten für eine, dem traurigen Anlass gemäße individuelle Feier, für ein würdiges Abschiednehmen, sowie Gelegenheiten des Kontakts und der fortwährenden Erinnerung an die lieben Verstorbenen.
    

Veranstaltungen zum Thema

7.12.2019:
„Trauer in Form und Farbe“.
Workshop für trauernde Angehörige.
Anmeldung: trauer@hamburger-hospiz.de oder 389075-205

bis 8.12.2019:
„Ewig dieser Augenblick“.
Benefizausstellung mit Auktion https://auktion.hamburger-hospiz.de/start.php.

Hamburger Hospiz, Helenenstraße 12, Kulturnachmittag „Kaffee, Kunst und Kekse“ im Rahmen der Ausstellung, 1.12.2019, 12-17 Uhr, Eintritt frei

14.02.-14.06.2020:
Trauern. Von Verlust und Veränderung.
Ausstellung der internationalen Gegenwartskunst.
Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall
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